Salzburger Totentanz
Geschmack ein zu unbestimmter Begriff. Er konnte sich nicht überwinden, von der Beilage zu kosten. »Das Rezept ist immer das gleiche. Man nehme einen hungrigen jungen Künstler, vielleicht sieht er noch passabel aus, auch etwas Talent schadet nicht, und dann wird an seiner internationalen Karriere gebastelt. Hier eine Vernissage vor geladener Prominenz, da ein geschickt lanciertes Interview.«
Katharina räusperte sich.
»Und die Kunst wird einfach der Nachfrage angepasst. Auch bei Tappeiner ging es in erster Linie darum, den Markt zu bedienen. Und nicht um das Werk als solches, um irgendwelche Inhalte oder einen gesellschaftlichen Beitrag …«
»So ist das also.« Sie musterte Bosch nachdenklich.
Er zuckte die Schultern, spießte mit seiner Gabel ein tiefrotes Fleischstück auf, zögerte und legte es wieder auf den Teller zurück. »Genau so. Und dann schenkt man einem Museum für moderne Kunst eines seiner Werke«, sagte er. »Jetzt hängt der Künstler im Museum. Das steigert seine Bedeutung und erhöht noch einmal seinen Marktwert. Oder es wird gleich zum Ankauf geraten. ›Betreuung von großen Sammlungen‹ nennt man das. Und Tappeiner hat viele namhafte Sammler beraten.«
»Wahnsinn.«
»Das auch, ja.«
Katharina stocherte auf ihrem Teller herum. Dann strich sie sich graziös eine Locke aus dem Gesicht und sagte: »Ich überlege mir gerade, dass ein Galerist seines Zuschnitts nicht nur Freunde hatte.«
»Davon kannst du ausgehen«, sagte Bosch.
»Tappeiner soll laut Polizeibericht um Mitternacht im Karpfenteich in Hellbrunn ertrunken sein. Nach der Figaropremiere. Keine Zeugen.« Ihr Blick fiel auf Boschs Teller, auf dem die Pilze in der Sauce langsam eintrockneten. »Schmeckt’s dir nicht?«
»Oh! Doch. Ich habe im Moment nur keinen Appetit auf Pilze. Mein Chef ist erst vor ein paar Tagen daran gestorben.«
»Ach, wirklich? An einer Pilzvergiftung?« Katharina griff nach dem Glas. »Ist ja interessant.«
»Du kennst ihn doch. Du warst auf seiner Beerdigung.«
»Professor Salchenegger war dein Chef?« Katharina, die gerade dabei war, ihr Glas zum Mund zu führen, hielt inne.
Bosch nickte. Sein Bein tat weh. Er zog eine Packung Schmerztabletten aus der Jackentasche. »Der Hundebiss …« Er drückte eine Tablette aus der Folie.
»Schlimm«, sagte Katharina. »Ich bin deinem Chef immer wieder auf Ausstellungen begegnet.«
»Salchenegger hat sich auch privat für Kunst interessiert. Er hat eine umfangreiche Bildersammlung und kannte viele Künstler.«
»Ach ja? Du meinst, er war auch so was wie ein Teil der Kunstszene?«
Bosch hatte seinen Professor noch nie als Teil der Kunstszene betrachtet, aber wahrscheinlich war die Bezeichnung gar nicht so falsch. »In gewisser Weise schon.«
Katharina beugte sich vor. »Findest du das dann nicht seltsam? Gleich zwei Unglücksfälle in der Kunstszene?«
»Und ob das seltsam ist«, erwiderte Bosch. »Salchenegger hat nämlich ein Fachbuch über Pilze geschrieben.« Er spülte die Tablette mit einem Glas Wasser hinunter. »›Heimische Pilze im Alpenvorland‹.«
»Was du nicht sagst«, bemerkte Katharina, während Rudolf Boschs Teller abräumte. Sie wedelte mit der rechten Hand in Richtung des Kellners und gab ihm so zu verstehen, dass er auch ihren unberührten Teller mitnehmen konnte. Dann flüsterte sie Bosch zu: »Das ist doch geradezu – mysteriös.« Ihre großen grünen Augen funkelten.
»Also, ich weiß nicht … mysteriös?« Seit Bosch von Salcheneggers Ableben erfahren hatte, waren ihm die Umstände seines Todes nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Aber bisher war es nur ein mulmiges Gefühl gewesen. Jetzt hatte Katharina seine Zweifel offen angesprochen.
»Du hast doch gerade gesagt, dein Professor war ein Pilzfachmann. Oder etwa nicht?«
»Doch – schon.«
»Eben. Und ich wette, Matteo Tappeiner konnte schwimmen.«
»Unsinn«, sagte Bosch schärfer, als ihm selbst lieb war. »Da gibt es keinen Zusammenhang. Außer dass sie sich natürlich kannten und geschäftlich miteinander zu tun hatten …«
»Ach nein«, sagte Katharina nun auch etwas zu laut. Ein distinguiert aussehendes älteres Paar am Nachbartisch sah zu ihnen herüber.
»Mohr im Hemd«, verkündete Rudolf, der schon wieder neben ihnen auftauchte. »Wünschen die Herrschaften Kaffee?«
Bosch blickte auf den Glasteller, den der Kellner vor ihn stellte. Umrahmt von einem Bouquet exotischer Früchte, erhob sich ein kleiner, heißer Schokoladengugelhupf aus einem Teich
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