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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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aus.
    Der Jäger stieg aus dem Wagen und ging auf das nun tote Tier zu, ohne Bosch eines Blickes zu würdigen. Kopfschüttelnd hob er die Schlange hoch, die schlaff von seiner Hand herunterbaumelte. Dann schleuderte er das Reptil in hohem Bogen quer über die Straße in das Unterholz des Waldes.
    Bosch war zwar noch nie hier gewesen, doch er hatte schon Bilder von dem prächtigen Bauernhaus, das sich Franz gleich von seinen ersten Honoraren gekauft hatte, in der Zeitung gesehen. Er überquerte den kiesbestreuten Vorplatz und hielt Ausschau nach der baulichen Besonderheit unter dem Giebel, die ihm auf einem der Fotos aufgefallen war. Man sah sie nur, wenn man den Blick die Hauswand hinauf bis unters Dach wandern ließ. Ein Rundbogenfenster war dort in die Mauer eingelassen, in das ein Marienbild gemalt war. Rosafarbene Putten mit hellblauen Flügeln saßen auf der filigranen Einfassung und auf einer Windschaukel darunter. Auf dem beweglichen weißen Holzband über einem geflügelten Engelskopf standen in schwarzer Farbe die Worte: »Bitt für uns.«
    Das rötliche Licht der Nachmittagssonne zauberte einen rosa Schimmer auf die Bäckchen der kleinen Engel und hauchte ihnen scheinbar Leben ein. Ein altes Birnbaumspalier umrahmte die Eingangstür, und die reifenden gelbrosa Früchte erfüllten den Sommertag mit ihrem süßen Duft. So hatte es auch immer im Obstgarten seiner Großmutter gerochen, in den sich Bosch als Kind gerne mit einem Buch verzogen hatte, um den Hänseleien in der Schule zu entgehen.
    Er streckte die Hand nach der geschmiedeten Türklinke aus. Die schwere Eichentür war nicht verschlossen. Sie öffnete in eine kühle Eingangshalle mit abgetretenen Steinfliesen, die nur von dem Licht, das durch ein altes Kastenfenster fiel, erhellt wurde. Bosch machte ein paar Schritte in die Halle.
    In dem Kamin zur Linken baumelte an einer eisernen Kette ein zerbeulter Kupferkessel. In der Feuerstelle lag noch ein Rest Asche, wahrscheinlich vom vergangenen Winter. Auf den Spitzen des Hirschgeweihes an der gegenüberliegenden Wand steckten ein paar von Sonne und Regen gebleichte Hüte. Darunter stand ein Paar Gummistiefel. Unter einem großformatigen Ölbild in Rot und Grün, über das chromgelbe Blitze zuckten, stand ein Tisch, auf dem ein säuberlicher Stapel elfenbeinfarbener Kuverts lag. Bosch erkannte Franz großzügige, schräge Handschrift. Durch die offene Tür neben dem Kamin trat er in die Küche.
    Franz stand mit dem Rücken zu ihm an einem Holztisch und war dabei, Fische auszunehmen. Seine kräftigen Hände führten das scharfe Messer sicher und routiniert. Bosch hatte immer bewundert, wie zart diese Arbeiterhände Pinsel und Schnitzmesser halten konnten, um auch feinste Details zu schaffen.
    »Servus, Franz.«
    Franz fuhr herum, wobei er sich fast mit dem Messer verletzt hätte. »Mein Gott, Hieronimo, hast du mich erschreckt!« Seine tiefe Bassstimme hallte in der Eingangshalle nach.
    Bosch zog die Schultern hoch. »’n Abend, Franz.«
    »Bin gerade dabei, das Abendessen vorzubereiten.«
    Auf einem Holzbrett lagen vier Fische, von denen drei schon ausgenommen waren. Ihre blutigen Bauchhöhlen klafften weit auf, und rote Punkte mit schwarzen Rändern sprenkelten ihre gelbgrünen Seiten. Es war eine Ewigkeit her, dass Bosch frisch zubereitete Bachforellen gegessen hatte.
    »Ist das nicht ein bisschen viel für einen allein?«, fragte er.
    »Verfressen wie eh und je.« Franz lachte. »Kannst gern mitessen.«
    »So war das nicht gemeint«, sagte Bosch. Auch Franz sah nicht mehr nach karger Studentenkost aus.
    »Mhm«, machte er. »Hab mich übrigens sehr gefreut, dass ich dich auf meiner Ausstellung gesehen habe.«
    Er stach mit der Messerspitze in den weißen Bauch der vierten Forelle, die sich zu krümmen schien, doch Franz schlitzte die zarte Haut bis zu den Kiemen auf. Mit dem Zeigefinger fuhr er in die Bauchhöhle und holte die hellrosa Innereien mit einer einzigen geschickten Drehung heraus. Dann warf er den Fisch zu den anderen und ließ die glitschigen Eingeweide in einen Blecheimer unter den Tisch gleiten. Nachdem er sich schnell die Hände gewaschen hatte, nahm er zwei Gläser von einer Anrichte und eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank.
    »Komm«, sagte er, »wir gehen nach draußen.«
    Wortlos folgte Bosch Franz hinaus auf die Terrasse des Bauernhauses. Neben einem Holzgeländer stand ein Tisch, der mindestens zehn Personen Platz bot. Durch die Bäume hindurch sah man die Dächer der

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