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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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wohl nicht. Die Frage war nur, ob der Alte nun der Großvater oder der Vater war. Heutzutage konnte man das nie wissen. Sie klopfte an und öffnete die Tür, ohne auf eine Antwort zu warten.
    Obwohl sich der strahlende Sommertag inzwischen eingetrübt hatte, waren die Vorhänge zum Schutz gegen die Nachmittagssonne zugezogen. So herrschte im Zimmer schummeriges Halbdunkel, und es roch nach Desinfektionsmitteln und Wäschestärke. Das vordere der zwei Betten war nicht belegt, doch im hinteren konnte Katharina eine Gestalt unter einer straff gezogenen weißen Decke erkennen. Als sie die Tür hinter sich schloss und auf das Bett zuging, wandte ihr der Patient sein Gesicht zu. Unter dem verschwitzten schwarzen Haarschopf sah es erschreckend blass aus. Er trug eines dieser typischen Krankenhaushemden, das sich über seinen runden Schultern spannte und im Nacken so fest zusammengebunden war, dass der gestärkte Ausschnitt unter seinem Kinn verschwand. Neben seinem rechten Arm stand ein Infusionsständer mit zwei Plastikbeuteln.
    »Herr Michalek?«, fragte Katharina. »Sebastian?« Sie beugte sich über den Kranken und hielt ihm die Hand zur Begrüßung hin. »Wie geht es Ihnen?«
    Sebastian ignorierte die ausgestreckte Hand, bewegte nur kurz seinen verkabelten Arm und kniff die Augen zusammen. Mit schwacher Stimme sagte er: »Wer sind Sie?«
    »Mein Name ist Katharina Morstein. Ich bin von der Zeitung. Ich war dabei, als heute Morgen Ihr Unfall passiert ist. Vielleicht erinnern Sie sich?«
    »N… nein.«
    »Soll ich die Vorhänge aufziehen?«
    »Ich … vertrage kein Licht«, murmelte Sebastian.
    »Ach so?«
    »Ich habe eine Gehirnerschütterung.« Der Kranke hustete und verzog das Gesicht. »Und gebrochene Rippen.«
    »Das hab ich schon gehört, schrecklich.«
    Katharina hasste den Anblick kranker und gebrechlicher Menschen. Und vor allem verachtete sie so übertriebene Zeichen von Schwäche, wie sie dieser junge Mann zur Schau trug.
    »Hätte schlimmer kommen können«, meinte er. »Was wollen Sie von mir?«
    Katharina nahm einen Stuhl und zog ihn neben das Bett, mitten hinein in den ungesunden Dunstkreis, der Sebastian umgab. Sie setzte sich und stellte ihre Tasche offen neben sich auf den Boden, wobei sie unauffällig das kleine Diktiergerät darin einschaltete. Dann strahlte sie Sebastian an.
    »So können wir uns besser unterhalten«, sagte sie.
    »Worüber unterhalten? Ich kann mich an meinen Sturz kaum erinnern«, sagte Sebastian. »Da war dieser Hund …«
    Katharina nickte. »Widerlicher Köter. Ich kann Hunde auch nicht leiden. Aber, sagen Sie mal, Sebastian … Sie sind doch nicht aus Salzburg, oder?«
    Sebastian bewegte den Kopf auf dem Kissen langsam hin und her. »Deutschland …« Er unterdrückte einen Hustenanfall.
    »Lassen Sie mich raten … aus Oberammergau. Stimmt’s?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich kenne Ihren … Großvater, nicht wahr?« Katharina neigte den Kopf zur Seite. »Ein ganz reizender alter Herr, der Herr Michalek.«
    Der Junge sah sie an.
    »Das ist doch Ihr Großvater?«, fragte Katharina. »Der dort einen Antiquitätenladen hat, oder? Matthias Michalek?«
    Er zwinkerte. »Na ja, eigentlich verkaufen wir mehr so Schnitzereien.«
    »Sehr schön«, sagte Katharina. »Und sein Enkel studiert in Salzburg. Und noch dazu Kunstgeschichte. Also, ich denke, Sie können mir weiterhelfen.«
    »Ich verstehe kein Wort.« Sebastian bewegte den Kopf auf dem Kissen hin und her. »Was hat mein Opa denn mit dem Unfall zu tun?«
    Katharina lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Mit Ihrem Unfall natürlich nichts, Herr Michalek«, sagte sie. »Aber unter Umständen mit Kunstfälschungen.«
    »Was? Kunstfälschung? Mein Opa ?« Seine Stimme klang mit einem Mal nicht mehr kränklich. Auch sein Gesicht hatte Farbe bekommen. Die Überraschung war ihr schon mal gelungen. Katharina kramte in ihrer Tasche, behielt Sebastian dabei aber im Auge.
    »Ein recht begabter Herrgottschnitzer, Ihr Opa«, sagte sie. Der Junge starrte sie an, als sei sie der Leibhaftige in Person. »Na bitte, da ist es ja.«
    Sie zog den Prospekt heraus und hielt ihn Sebastian hin.
    Der warf nur einen kurzen Blick darauf. Seine Hände krampften sich in die Bettdecke. »Woher … woher haben Sie den?«
    »Sie kennen diesen Prospekt?«
    »Äh …« Sebastian deutete auf den Prospekt. »Ja, klar, das … Der ist aus unserem Laden.« Er starrte wie hypnotisiert auf ihre Hand.
    Katharina fächelte sich mit

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