Salzburger Totentanz
hin. Er setzte sich schwerfällig auf und nahm einen vorsichtigen Schluck.
»Aber wer hat dann den guten Professor auf dem Gewissen?«
»Weiß ich doch nicht«, zischte Sebastian.
»Aber über die gefälschte Madonna wissen Sie Bescheid.«
Er nickte ohne sie anzusehen.
»Verdammt noch mal.« Sie stellte die Teekanne mit einem Knall ab. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Entweder Sie erzählen mir jetzt die ganze Geschichte oder …«
Sebastian drückte den Kopf ins Kissen.
»Ist ja schon gut …« Katharina fächelte sich wieder mit dem Prospekt Luft zu. Es war stickig im Krankenzimmer.
»Wissen Sie eigentlich, wie das ist, wenn man immer nur der fette Wastl ist?« Sebastian sah Katharina an. »Nein, das wissen Sie nicht. Wenn alle gegen einen sind, weil man doch nicht einfach weggeht von zu Hause, schon gar nicht ins Ausland, wo daheim doch schon das Familiengeschäft wartet?« Sein breites, blasses Gesicht war halb im Kissen versunken.
»Und?«, fragte sie. »Was weiter?«
Sebastian schluckte. »Und deshalb wollte ich ein wenig nachhelfen.« Seine Hand krampfte sich in die Bettdecke. »Ich bin bald fertig mit dem Studium. Und ich brauche doch eine Stelle, verstehen Sie?«
»Na ja, irgendwie schon, aber …«
»Die Assistentenstelle«, erklärte er. »Von Doktor Bosch. Der ist doch eh schon habilitiert. Na ja, die wollte ich haben. So, jetzt wissen Sie’s.«
Wie ein Häuflein Elend lag er da. Hatte dieser Junge sich etwa als ernsthaften Nachfolger von Hans Bosch gesehen? War er eigentlich verrückt, oder war das die Gehirnerschütterung?
Da deutete Sebastian auf den Prospekt. »Und deswegen habe ich das da geschrieben.«
»Sie haben das geschrieben?« Zum ersten Mal, seit sie das Krankenzimmer betreten hatte, wusste Katharina nicht, was sie sagen sollte.
»Ja, natürlich«, sagte er. »Was dachten Sie?«
»Natürlich … genau das«, sagte sie schnell. Zum Glück hatte Sebastian ihre Überraschung nicht bemerkt. »Sie haben also Ihren Professor erpresst.«
»Aber umgebracht habe ich den Salchenegger nicht«, sagte er. »Und was heißt schon erpresst. Ich meine …«
»Ja, was denn jetzt?« Katharina warf einen ungeduldigen Blick auf ihre Armbanduhr. »Also, wie sind Sie drauf gekommen? Woher wussten Sie von der Fälschung?«
»Na ja, die Madonna stand auf seinem Schreibtisch im Institut.« Sebastians Mund zog sich in die Breite. »Und daneben lag das Gutachten. Und weil ich die Figur doch aus unserem Geschäft gekannt habe, und der Prof nicht da war, da … da hab ich’s eben gelesen.«
»Das Gutachten.«
»Ja, klar.«
»Und? Was stand da drin?«
Sebastian kratzte sich an der Nase. »Also, nach Salcheneggers Gutachten war die Madonna aus unserem Laden fünfhundert Jahre alt«, sagte er. »Und stammte aus dem Umfeld von Michael Pacher. Wenn nicht sogar vom Meister selbst. Dass ich nicht lache.« Ein raues Lachen quälte sich aus seiner Brust. Dem Lachen folgte ein Hustenanfall. Mit schmerzerfüllter Miene presste sich Sebastian die Hand auf die Rippen. Als sich der Husten wieder gelegt hatte, spielte ein linkisches Lächeln um seine Mundwinkel.
»Die Madonna kam also aus dem Laden Ihres Großvaters?«
Er nickte. »Wissen Sie, diese Madonna war was ganz Besonderes. Sie war wunderschön.«
Katharina verschränkte die Arme vor der Brust. Von draußen war das näherkommende Dröhnen eines Hubschraubers im Landeanflug zu hören. Ein Luftzug fuhr durch das offene Fenster und zauste ihre Haare.
»Und weiter?«, fragte sie und sah wieder auf ihre Patek Philippe.
»Ich hab alles fotografiert. Mit dem Handy.«
»Respekt.« Beinahe hätte sie laut losgelacht. Doch nach einem Blick in das verzweifelte Gesicht des Jungen sagte sie nur: »Hätt ich auch getan.«
»Wirklich?«, fragte er mit einem gequälten Lächeln.
»Hätt ich.« Sie zwinkerte ihm zu. »Ihr Großvater hat also die Madonna geschnitzt?«
»Mein Opa?« Seine Stimme klang verblüfft. »Der doch nicht.«
Katharina zuckte die Achseln. »Nicht?«
»Natürlich nicht. Das ist ein Kunstwerk. Und keine normale Herrgottschnitzerei.« Er zeichnete schon wieder Muster auf der Bettdecke. Kreuze dieses Mal. »Mit der Figur hat mein Opa immer so geheimnisvoll getan. Wundert mich eh, dass er sich überhaupt von ihr getrennt hat.«
»Ach ja?« Dann hatte sie sich aber im Geschäftssinn des Alten schwer getäuscht. Über dem Krankenbett hing ein Bild, auf dem ein Harlekin munter tanzte. »Und an wen hat er sie schließlich
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