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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Paps am Schreibtisch saß. Sie hatte sich immer bemüht, möglichst leise zu sein, um ihn nicht bei der Arbeit zu stören. Aber seine väterliche Fürsorge hatte nicht lange angehalten, und Frau Achleitner war ins Haus gekommen. Danach hatte er sie nirgendwohin mehr mitgenommen und ihr keine Stunde seiner kostbaren Zeit mehr geschenkt.
    Michaela setzte sich in einen der Ledersessel, die vor dem Schreibtisch standen. Vom Dom schlug es elf Uhr. Zwischen den Türmen stand eine kleine weiße Wolke. Hoffentlich kam Hans bald. Die Todesumstände ihres Vaters wollte sie ihm doch persönlich mitteilen. Sie konnte ihm ja schließlich nicht einfach einen Zettel hinlegen. Sie schlug den Kunstband auf dem Schreibtisch auf, ein Werk über Michael Pacher.
    Die aufgeschlagene Seite zeigte ein Gemälde, einen nackten Teufel, grünhäutig, zartgliedrig und mit spitzen, gezackten Flügeln. Er hielt einem Bischof in rotem Mantel und goldenen Handschuhen ein aufgeschlagenes Buch mit einer Miene entgegen, als bäte er um dessen Meinung. Teufelshörner und Bischofsstab neigten sich einander vertraulich zu. Im Hintergrund des Bildes standen spitzgieblige mittelalterliche Häuser. Darunter stand »Michael Pacher, Der Teufel weist dem hl. Augustinus das Buch der Laster vor, München, Alte Pinakothek«.
    Michaela wollte gerade umblättern, als sie hinter sich die alten Holzdielen knarzen hörte. Sie fuhr herum und riss dabei den Kunstband vom Schreibtisch, der mit einem dumpfen Schlag zu Boden fiel. Hinter ihr stand ein junger Mann, der ganz in Schwarz gekleidet war.
    »Was tun Sie denn da?«, rief sie.
    Der Mann rührte sich nicht. Der Wust Papier, den er vor seinen dicklichen Körper hielt, zitterte. War das einer von Hans’ Studenten? Wortlos starrte er Michaela an. Er musste bereits bei ihrem Eintreten im Zimmer gewesen sein, denn die Tür war immer noch geschlossen. Hatte er sich etwa hinter dem Kachelofen versteckt? Ihr fiel auf, dass der Aktenschrank in der Zimmerecke offen stand.
    »Wie lange sind Sie schon hier? Was machen Sie da?«
    »Ich …«, der junge Mann schluckte, »ich suche mein Exposé.«
    »Ihr Exposé?« Also doch ein Student. Warum hatte er sich dann nicht bemerkbar gemacht? Fast sah es aus, als hätte er sich hinter ihr aus dem Zimmer schleichen wollen. Sie hob den schweren Kunstband auf und behielt ihn zur Sicherheit in den Händen. Der Student legte seinen Papierstapel ordentlich auf den Tisch am Kachelofen.
    »Na ja«, sagte der junge Mann. »Ich geh dann mal wieder.«
    In diesem Augenblick steckte Frau Happel den Kopf herein. »Herr Doktor? Da wäre …« Ihr Blick fiel auf den Studenten. »Was tun Sie schon wieder hier? Doktor Bosch hat heute überhaupt keine Zeit für Sie.« Dann bemerkte sie Michaela. »Oh, Fräulein Salchenegger! Weiß Doktor Bosch, dass Sie da sind? Drüben wartet nämlich schon ein gewisser Professor De Luca. Er ist extra aus Bozen … Huch, was ist denn das?!«
    Frau Happel machte einen erschrockenen Hüpfer zur Seite. Neben ihr erschien Achilles breiter schwarz-weißer Kopf. Entschlossen drängte die Dogge ihren mächtigen Körper ins Zimmer.
    »Achilles«, sagte Michaela. »Dich hab ich ja ganz vergessen – schnell, komm her!«
    Der Hund hob witternd die Nase.
    Der Student schaffte es gerade noch, an Frau Happel vorbei durch die Tür zu schlüpfen. Dabei rannte er den eben eintretenden Bosch und die rothaarige Frau an seiner Seite fast um. Die Dogge drehte blitzschnell den Kopf zur Tür. Ein tiefes Grollen stieg aus ihrer Kehle, und das kurze Rückenfell sträubte sich. Mit einem Satz verschwand auch sie im Gang.
    »Achilles!«, rief Michaela. Doch sie hörte nur noch das wütende Bellen des Hundes.
    Die Rothaarige schob ihre Sonnenbrille hoch. »Na«, sagte sie, »hier geht’s ja hoch her.«
    Vom Gang her hallte Achilles’ zorniges Gegeifere, das sich mit erschrockenen Rufen vermischte. Dann ein gellender Schrei, dem Todesstille folgte.
    »Großer Gott.« Michaela stürzte aus dem Zimmer und prallte gegen eine Studentin, die auf die Tür zugelaufen kam. Für einen Augenblick starrte sie in die weit aufgerissenen Augen des Mädchens, dann sah sie den Menschenauflauf, der sich am Kopf der Marmortreppe gebildet hatte. Sie rannte den Gang entlang, vorbei an den jungen Leuten, die ihr sofort den Weg freigaben.
    Achilles saß schwer atmend auf dem Treppenabsatz und starrte in die Tiefe. Sein heiseres Hecheln war das einzige Geräusch in der Stille. Langsam trat Michaela an den Rand der

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