Salzburger Totentanz
Treppe, an deren unterem Ende, verdreht wie eine weggeworfene Puppe, die dunkle Gestalt des Studenten auf den weißen Steinplatten lag.
»Was ist hier eigentlich los?«
Michaela wurde an der Schulter gepackt und zurückgezogen. Sie blickte in das zornesrote Gesicht von Hans. Zitternd streckte sie den Arm aus und zeigte auf die Gestalt am unteren Treppenabsatz.
»Oh, mein Gott!«, keuchte Hans und hastete die Stufen hinunter.
Michaela war unfähig, sich zu rühren oder ihm zu helfen. Unten angekommen, legte Hans dem Studenten die Hand auf die Schulter und sagte irgendetwas zu ihm. Der junge Mann zeigte keine Reaktion, zumindest konnte Michaela aus der Distanz keine Bewegung sehen. Hans fühlte seinen Puls. Dann sah er zum Treppenkopf und zu ihr hinauf. Sie streckte die Hand nach Achilles aus, der regungslos neben ihr saß und die Szene beobachtete, aus und streichelte ihn. Die Wärme des Tieres strömte durch ihren Arm und machte sie ruhiger.
»Wir brauchen einen Arzt, verdammt noch mal!«, schrie Hans. »Was steht ihr denn da herum? Frau Happel soll … Wo ist denn die Happel?«
»Hier, Herr Doktor, hier!« Die Sekretärin drängte sich durch die jungen Leute. »Ich hab schon telefoniert. Der Notarzt muss jeden Moment da sein. Warten Sie, ich komme schon!« Unsicher stöckelte sie die glatten Stufen hinunter.
Immer mehr Studenten drängten sich auf dem Treppenabsatz. Von der Straße war die Sirene des Ambulanzwagens zu hören. Michaela wurde von links und rechts gestoßen und zusammen mit Achilles, den sie am Halsband gepackt hatte, gegen die Anschlagtafel neben dem Sekretariat gedrängt, bis sie nur noch auf eine Wand von Menschen starrte. Jemand fasste ihren Arm, und der Duft teuren Parfüms stieg in ihre Nase.
»Ich fürchte, da können wir nicht helfen«, sagte eine freundliche Frauenstimme. »Kommen Sie, wir gehen zurück ins Büro und warten dort.«
Michaela drehte sich um. Die rothaarige Frau stand direkt vor ihr. Ihr Griff war leicht und schien doch unnachgiebig.
»Ich bin eine Freundin von Bosch«, sagte die Rothaarige. »Ist der gefährlich?« Sie deutete mit dem Kinn auf Achilles.
»Nein, gar nicht.« Widerstandslos ließ sich Michaela den Gang zurück zum Büro führen. Achilles folgte ihnen, ohne dass es eines weiteren Kommandos bedurft hätte. Vielleicht wusste er ja, dass er für die Tragödie verantwortlich war.
Michaela nahm wieder in dem Sessel Platz, die Rothaarige setzte sich auf die Schreibtischkante.
»Ich glaube, ich habe Ihr Bild schon mal in der Zeitung gesehen«, sagte Michaela.
»Ganz sicher«, sagte die Frau. »Ich bin Katharina Morstein.« Sie lächelte. »Journalistin beim ›Salzburger Blick‹.«
»Ach ja«, sagte Michaela. »Und eine Freundin von Hans.«
Frau Happel kam ins Zimmer. Ihre sonst so akkurate Frisur war in Unordnung geraten, ihre Wangen waren gerötet. »Sie bringen ihn ins Unfallkrankenhaus«, sagte sie in einem schrilleren Ton als sonst.
»Und?«, fragte Michaela. Sie hatte Achilles in Hans’ Büro führen wollen. Aber der Hund hatte auf stur geschaltet und sich in den Gang gelegt. Und wie hätte sie das Riesentier zum Mitkommen bewegen sollen? Außerdem hatte er noch nie einen Menschen angegriffen. Achilles war völlig harmlos.
Frau Happel schüttelte den Kopf. »Er ist nicht ansprechbar. Es sieht nicht gut aus, glaube ich.«
Michaela sank tiefer in den Sessel. Hilfesuchend schaute sie zu der Reporterin auf, doch die reagierte nicht. Wahrscheinlich waren Unfalltote in ihrem Beruf kein Grund zur Aufregung.
Auf dem Gang waren Stimmen zu hören. Gleich darauf trat Hans ein, gefolgt von einem kleinen Mann im taubenblauen Anzug, der einen in Packpapier eingewickelten Gegenstand unter dem Arm trug.
»Er ist im Krankenhaus«, sagte Hans. »Frau Happel, Sie rufen bitte im Dekanat an und melden den Unfall.« Er nickte der Sekretärin zu. »Sagen Sie mal, was wollte denn dieser Michalek schon wieder hier?«
»Keine Ahnung«, sagte die Happel eifrig. »Was der auch immer am Institut herumzuschleichen hat!«
»Er war gerade hier«, sagte Michaela. »Ich glaube, er hat etwas gesagt.«
»Was?«, rief Bosch. »Hier? In meinem Büro?«
» Wie heißt der junge Mann?«, fragte die Morstein.
»Michalek«, sagte Frau Happel. »Sebastian Michalek.«
»Ach«, die Reporterin schaute die Sekretärin an. »Und woher kommt dieser Sebastian Michalek?«
Frau Happel musterte ihr Gegenüber von oben herab. »Wir geben grundsätzlich keine Auskunft über unsere
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