Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Gesetzmäßigkeiten war einem des irrationalen Hokuspokus allemal vorzuziehen. Keiner von Hardenburgs Kollegen glaubte an Magie oder Fabelwesen. Was nicht zu beweisen war, gehörte in den Bereich der Märchen und Sagen, bestenfalls noch in den des Glaubens, und war somit nicht verwendbar zu Forschungszwecken.
Zauberei war nicht in physikalischen Einheiten meßbar. Das machte sie für die Physik unbrauchbar, und da die Wissenschaft gar nicht erst an ihre Existenz glaubte, hatte sie auch keine Vorstellung bezüglich ihrer Möglichkeiten. Weltweit gab es nur wenige Magierlogen, die Meister des Arkanen heranbildeten. Der Einfluß und die Fähigkeiten dieser Logen lagen genauso im Dunkeln wie ihre Ziele.
Hardenburg sah sich als Pionier einer neuen Ära. Er mußte arkane Energie nicht messen. Er brauchte nur einen guten Meister mit der Fähigkeit, sie zu kanalisieren und zu fokussieren sowie ein magisches Mittel, einen Treibstoff sozusagen, der der Waffe als Munition diente.
Wenn seine Berechnungen stimmten, würde die Hardenburg-Kanone ein Zielgebiet vollständig zerstören und dabei jedes Leben in wenigen Minuten auslöschen können. Die Maschine würde einen zielgerichteten Kugelblitz von mehreren Kilometern Durchmesser generieren. Taktisch gesehen würde das eine feindliche Armee zwingen, ihre Truppen in kleine, weitverstreute Verbände aufzuteilen, um einer Zerstörung auf einen Schlag zu entgehen. Das Land, das diese Waffe besaß, wurde faktisch unangreifbar.
So war es nicht weiter verwunderlich, daß Hardenburg im Kriegsministerium wohlgesonnene Zuhörer gewonnen hatte. Wer wollte nicht eine solche Waffe sein eigen nennen? Die österreichische Armee war nicht so modern, wie sie sein sollte. Die Artillerie war archaisch, man schoß immer noch mit einschüssigen Vorderladern statt mit mehrschüssigen Zündnadelgewehren. Nach Hardenburgs Eindruck sonnte sich die Armee seines Landes in den Erinnerungen längst vergangenen Ruhmes, war gerade noch stark genug, die Rebellionen in den unruhigen Provinzen Groß-Österreichs niederzuhalten, nicht aber, einen ernsthaften Krieg auf europäischer Ebene zu gewinnen.
Das würde er ändern. Darauf war er stolz. Er hatte gute Aussichten auf Erfolg mit seinen Technikern, seinem Meister des Arkanen und der patriotischen Jägereinheit, die ihm lebende Munition finden und fangen sollte.
Er sah verträumt auf den Prototypen. Das Gerät stand auf Stahlrädern und würde wie eine Lokomotive auf Schienen fortbewegt. Ein eigener Dampfantrieb war deshalb Teil der Waffe, dessen polierte Messingteile stolz im Licht der neuen Göbel-Glühlampen glänzten, mit denen die Höhle beleuchtet war.
Die Zentraleinheit der Hardenburg-Kanone war ein kalteisenverstärkter Käfig, der die eigentliche Munition beinhalten würde – eine lebende und gefährliche Munition. Ein Parabolrezeptor war auf das Innere des Käfigs gerichtet, um von dort die Energie abzuzapfen. Durch das Können eines starken Magiers, der sich gegenüber im Kontrollsitz befand, würde diese Energie gesammelt, transformiert und schließlich in einen zweiten Parabolschirm geleitet. Von dort konnte die so gewonnene Energie als konzentrierter Blitzstrahl auf das Ziel gelenkt werden.
Von zentraler Bedeutung war das Können des Meisters. Hardenburg hatte gesehen, was geschah, wenn dessen Macht nicht stark oder konzentriert genug war: Die arkane Energie schlug zurück und leerte den Meister anstelle der Munition. Allerdings war die Munition auch nicht gut dabei gefahren. Der kleine, blasse, mißgebildete Feyon, den die Jäger gefunden hatten, hatte fast menschlich ausgesehen, als sie ihn nach dem Experiment wieder aus ihrem Kalteisen-Käfig befreit hatten. Viel Leben war nicht mehr in ihm gewesen, und so hatten sie ihn einfach eingesperrt. Nach einiger Zeit war er dann plötzlich verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst.
Hardenburg schmunzelte. Er hatte Glück gehabt. In den vergangenen fünf Monaten hatte er nicht nur einen exzellenten Meister für die magische Komponente der Waffenentwicklung gefunden, sondern endlich auch einen guten Mechaniker und Ingenieur. Zuvor war der Mann Offizier in der Bayerischen Armee gewesen, und somit brachte er neben Erfindergeist auch noch die strategischen Kenntnisse militärischer Planung mit. Das machte ihn zu einer nützlichen Kraft bei diesem Projekt.
Natürlich hätte Hardenburg lieber mit einem Österreicher zusammengearbeitet. Jedoch war Bayern eng verbunden mit dem
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