Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
vorbringen würde.
***
Debbie und Riddle kamen zügig voran.
Auf der Autobahn herrschte wenig Verkehr und Debbie schätzte, dass sie so gegen zehn Uhr abends zu Hause ankommen würden. Riddle hatte nicht eine Sekunde lang die Augen zugemacht. Er starrte die ganze Zeit durch die vordere Windschutzscheibe und hielt den neuen Inhalator fest mit seiner linken Hand umklammert. Wenn er jetzt einschliefe, dann würde er vielleicht auf einem Steinhaufen in Utah wieder aufwachen und merken, dass er nur geträumt hatte.
Nach drei Stunden Fahrt machten sie eine Pause und genehmigten sich in einem Restaurant am Rand der Autobahn eine Pizza Pepperoni für zwei Personen und je eine Limo. Es war bestimmt nicht die gesunde Kost, die Debbie unter anderen Umständen für sie ausgesucht hätte, aber beide ließen sich die Pizza mit bestem Appetit schmecken. Nach dem Essen faltete Riddle das Papierset, das mit einer Landkarte von Italien bedruckt war, sorgfältig zusammen und schob es mit zwei Zuckerpäckchen in seine Hosentasche.
Im Auto gab Debbie ihm das Stück Maulwurfkuchen, das sie für ihn am Tag zuvor eingepackt hatte. Riddle zog das Papierset aus der Hosentasche, faltete es wieder auseinander und breitete es auf seinem Schoß aus. Jetzt erst aß er seinen Kuchen.
Debbie schaltete das Autoradio ein und Riddle fing sofort an mitzusummen. Kaum zu glauben, aber Riddle kannte nicht nur die Melodie, sondern auch den gesamten Text des Liedes auswendig. Debbie stellte die Lautstärke hoch und plötzlich sangen sie alle beide:
»I’ll reach out my hand to you. I’ll have faith in all you do.
Just call my name and I’ll be there.
I’ll be there to comfort you, build my world of dreams around you.
I’m so glad that I found you.
I’ll be there with a love that’s strong. I’ll be your strength.
I’ll keep holding on.«
Zum Schluss grölten sie den Text geradezu. Riddle brauchte seine ganze Lungenkraft dafür, aber er war nicht zu stoppen. Er hatte noch nie in seinem Leben vor jemand anderem, mit Ausnahme von Sam, gesungen, aber seine Stimme klang erstaunlich klar und ebenmäßig.
Als das Lied zu Ende war, inhalierte er zweimal hintereinander und merkte gleich, wie leicht ihm jetzt das Atmen fiel. Er sah zu Debbie hinüber und atmete tief aus.
Ja, zum ersten Mal seit langer Zeit konnte Riddle wieder richtig atmen.
***
Der Greyhoundbus besaß ein Soundsystem und es lag ganz im Ermessen des Fahrers, ob er es benutzen wollte oder nicht. Heutzutage hörten die meisten Leute ja ihre eigene Musik, aber da jetzt nur noch wenige Fahrgäste im Bus saßen und es den Busfahrern untersagt war, Kopfhörer zu benutzen, schaltete der Fahrer das Radio ein und suchte nach einem Sender, der sich ganz dem Motown-Sound verschrieben hatte. Denn der gefiel ihm.
Sie spielten gerade I’ll Be There und sämtliche Fahrgäste, von dem elfjährigen Mädchen, das mit seiner Tante unterwegs war, bis zu dem Achtzigjährigen, der ganz vorne saß und Kreuzworträtsel löste, murmelten leise den Text mit.
Ganz hinten im Bus schlug Sam die Augen auf.
Und er war völlig überzeugt davon, dass dieses Lied für niemand anderen als ihn gesungen wurde.
Let me fill your heart with joy and laughter.
Togetherness, well that’s all I’m after. Whenever you need me, I’ll be there.
***
Bobbys Mutter rief Rory an, um ihm mitzuteilen, dass Bobby und Emily es nicht zu den gemeinsamen Fotos schafften und sich mit den anderen erst im Ballsaal treffen würden. Die Fahrt in der Stretch Limo würden sie deshalb leider auch verpassen.
Allein um in die Hose seines Smokings zu kommen, brauchte Bobby Ellis ganze fünf Minuten. Es tat ihm höllisch weh, wenn er das Knie beugte, und er schien allmählich wirklich ein Nervenbündel zu sein. Und obwohl Bobby am linken Schienbein genäht worden war, jammerte er seinen Eltern die ganze Zeit etwas von Schmerzen im rechten Fuß vor. Erst eine Woche später sollte sich herausstellen, dass er sich bei dem Fußtritt gegen die Klowand im Arby’s eine Zehe gebrochen hatte.
Als Bobby es schließlich aus dem Haus schaffte, war er bereits eine Dreiviertelstunde zu spät dran. Emily musste noch abgeholt werden. Er hatte kein Anstecksträußchen für sie dabei. Und ihn umgab immer noch der stechende Geruch des Bräunungssprays, überlagert vom patentierten Gurke-Melonen-Duft des Sprayherstellers.
Aber der Ballkönig war bereit.
***
Die Zeit, die Emily auf einmal noch hatte, verbrachte sie damit, in ihrem Zimmer Musik zu
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