Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
des Bräunungsstudios musste schon viel zu viel Zeit vergangen sein. Denn dieses Teufelszeugs ließ sich nicht abwaschen!
Und als er dann immer heftiger an seinen Wangen rieb, hatte er ein neues Problem, denn unter der braunen Farbe hatte er ja seinen Sonnenbrand und der tat jetzt höllisch weh.
Während Bobby sein Gesicht ganz nah vor den Spiegel hielt, hatte er die Unterarme auf dem Waschbecken abgelegt. Und jetzt bemerkte er, dass sein Gips nass geworden war. Über dem Schock mit dem orangefarbenen Gesicht hatte er ganz vergessen, dass er einen gebrochenen Arm hatte. Er machte einen großen Schritt zum Papierhandtuchhalter und fühlte einen stechenden Schmerz unter dem linken Knie, wo die acht Stiche die Haut über der Platzwunde am Schienbein zusammenhalten sollten.
Auf einmal war ihm alles zu viel.
Bobby fuhr herum und kickte mit aller Wucht gegen die Wand und zu seinem großen Entsetzen versank sein rechter Fuß in der billigen Gipsfaserplatte, die durch die vielen Spritzer von der Kloschüssel durchfeuchtet war. Da stand Bobby Ellis nun, mit dem Fuß in der Wand. Zum Glück war es sein gutes Bein. Als er es herauszog, flogen die Brocken der Gipsfaserplatte durch den ganzen Raum.
Bobby dachte nicht daran, sauber zu machen.
40
Als Emily nach Hause kam, schleppte ihr Vater gerade eine Matratze aus der Garage durch den Garten, die er ins Haus bringen wollte. Er strahlte.
Emily folgte ihm in die Küche und räumte ein paar Sachen aus dem Weg. »Was hast du eigentlich damit vor?«
»Ich bringe sie in das Zimmer neben der Küche.«
Keiner in der Familie wusste, wie sie diesen Raum nennen sollten. Emily öffnete die Tür. »Bekommen wir Besuch?«
Ihr Vater nickte. »Mom ist auf dem Heimweg und bringt jemand mit.«
Das klang interessant. Emily wusste immer noch nicht, wohin ihre Mutter gefahren war. »Wen?«
Ihr Vater gab keine Antwort.
Das Zimmer neben der Küche war früher ein Schlafzimmer gewesen. Dann hatte sich ihre Mutter darin ein kleines Büro eingerichtet. Inzwischen stand dort viel Krempel herum, vor allem aber der Hometrainer.
»Ich denke mal, es wird am besten sein, ich schaffe den Hometrainer raus.«
Emily sah ihren Vater überrascht an. Für einen Übernachtungsgast den Hometrainer abzubauen, war ein ziemlicher Aufwand. Selbst wenn die Person vielleicht eine Woche blieb.
Ihr Vater lehnte die Matratze gegen die Wand und war schon wieder unterwegs in die Garage. »Ich hol mal meinen Werkzeugkasten.«
»Aber wer kommt denn nun eigentlich?«, rief Emily ihm nach.
»Familie!«, antwortete ihr Vater über die Schulter.
Emily blickte ihm nach. Puuh. Dann musste es wohl Tante Jean sein.
Mit Tante Jean verband alle in der Verwandtschaft eine Hassliebe. Sie war klug und witzig, aber leider war sie auch Alkoholikerin. Sie konnte und wollte einfach nicht aufhören zu reden. Und immer, wenn jemand genug von ihr hatte, hörte man dann ein »Tja, aber was soll man machen? Sie ist schließlich Familie«.
Hatten ihre Eltern sich nicht unlängst erst darüber unterhalten, dass Tante Jean Gesundheitsprobleme hatte? Oder drehte es sich ums Geld? Emily hatte ein schlechtes Gewissen. In den letzten Wochen hatte sie sich wirklich um nichts mehr gekümmert.
Sie würde diesmal zu Tante Jean ganz besonders nett sein.
Emily legte Bobbys Boutonnière in den Kühlschrank und ging nach oben, um zu duschen. Wie lange Tante Jean wohl bei ihnen bleiben würde? Sie würde ihr einen kleinen Willkommensgruß ins Zimmer legen, bevor sie ging. Es war wichtig, dass Gäste sich wohlfühlten.
***
Als sie aus der Dusche kam, merkte Emily, dass sie mit ihrem Tag eigentlich ganz einverstanden war. Das erste Mal seit langer Zeit.
Und dann merkte sie, dass sie, wenigstens zum Teil, auch deswegen so ausgeglichen war, weil sie nicht andauernd von Bobby Ellis mit Nachrichten und Anrufen zugetextet wurde.
Das erste Mal seit April hatte sie tief Luft holen können, ohne seinen heißen Atem immer in ihrer Nähe zu spüren. Ihretwegen sollte er ruhig seinen großen Abend als Ballkönig haben, den wollte sie ihm nicht verderben, aber wenn es so weit war, würde sie ihm unmissverständlich klarmachen, dass sie nie mehr als gute Freunde sein würden.
So viele Mädchen mochten ihn. Was wollte er ausgerechnet von ihr? Was fand er an ihr? Sie konnte jetzt keine Beziehung eingehen. Mit niemandem.
Das würde sie ihm alles so erklären und sie zweifelte keine Sekunde daran, dass sie ihre Argumente mit großer Überzeugungskraft
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