SAM
eine Wand des Schweigens zu stehen. Ich warte auf eine Antwort auf meine Frage, auf eine Erklärung, aber alles was er tut ist schweigen. Wieder fällt eine Träne auf mein neues Kleid. Schließlich halte ich es nicht mehr aus, kann die Anspannung, die in dem Wagen herrscht nicht mehr ertragen und öffne die Tür. Schnell laufe ich die Stufen zu Jonathans Haus empor und hoffe inständig, dass auf mein aufdringliches Klingeln bald geöffnet wird, denn ich höre bereits, wie Alexander die Wagentür zuschlägt, um mir zu folgen. Mathilda öffnet mir, sieht die Tränen in meinem Gesicht und lässt mich verständnisvoller Weise sogleich, ohne auch nur eine Frage zu stellen, an sich vorbei ins Haus treten. Schnell laufe ich die Stufen zu meinem Zimmer hinauf und knalle die Tür hinter mir zu. Meine Granny hasste es, wenn ich vor Wut eine Tür zuschlug. Heute tue ich es aus Wut und Enttäuschung.
Ist er wirklich so ein gewissenloser Heuchler? Hat diese Frau die Wahrheit gesagt? Belügt und betrügt er mich? Bin ich tatsächlich nur ein Spielzeug für ihn, ein naives, dummes Mädchen, dass seinem Charme und seiner Verführung erlegen ist? Ich nehme meinen Koffer und stopfe meine Klamotten hinein. Ich muss weg hier. Ich bleibe keine Minute länger hier. Es klopft an meiner Tür.
„Sam, bitte, lass uns reden“, höre ich Alexanders Stimme.
„Ich wüsste nicht, was wir noch zu bereden hätten“, entgegne ich wütend. Er klopft abermals an die Tür.
„Sam, mach die Tür auf! Ich muss mir dir reden, bitte!“ Er klingt ungeduldig. Schließlich öffne ich ihm die Tür mit meinem gepackten Koffer in der Hand. Als er vor mir steht und sieht, dass ich ihn verlassen werde, sehe ich das erste Mal, seit ich ihn kenne, so etwas wie Entsetzen in seinem Gesicht.
„Du willst fort?“ Seine Stimme klingt erstickt. Ich bin nur zu einem Nicken fähig.
„Geh nicht!“, bittet er mich und sieht mich mit einem flehenden Blick an. Was geht mit ihm vor? So habe ich ihn noch nie gesehen. Sollte er wirklich darunter leiden, wenn ich ihn verlasse? Er lässt mir keine andere Wahl.
„Ich kann das nicht. Ich muss wissen, woran ich mit dir bin, Alex. Ich kann nicht mit dir zusammen sein, wenn ich weiß, dass du mir Dinge verheimlichst und mir nicht die Wahrheit sagst“, erkläre ich ihm mit zitternder Stimme.
„Samantha, ich kann dir nicht alles sagen. Es geht nicht. Die Zeit,…die Zeit ist noch nicht reif. Ich habe dir gesagt, wie sehr ich dich mag und dass ich mit dir zusammen sein will. Bitte zwinge mich nicht Dinge zu tun, die du doch nicht verstehen würdest. Es muss dir reichen, wenn ich dir sage, dass ich nur dich will und es ernst meine.“
Ich schaue in seine braunen Augen und versuche ihm zu glauben. Aber meine Enttäuschung und die Angst, wieder von einem Mann betrogen zu werden, sind zu groß. Ich kann es nicht noch einmal ertragen, dass mit meinen Gefühlen derart gespielt wird, ich so ausgenutzt werde.
„Nein, Alex, das reicht mir nicht. Es tut mir leid“, sage ich leise, mit trauriger Stimme und dränge mich an ihm vorbei und laufe die Treppe hinunter. Er folgt mir nicht. Ich stürze mich in die noch immer vor dem Haus stehende Limousine und gebe dem Fahrer harsch Anweisung: „Viktoria Station!“
Zehn Minuten später stehe ich am Schalter der Bahnhofshalle und löse ein Ticket nach Glastonbury mit Anschluss nach Somerset. Ich werde hoffentlich bald im Zug nach Hause sitzen und diesen furchtbaren Abend bald hinter mich lassen. Das grüne Abendkleid habe ich immer noch an und fühle mich extrem unwohl darin, hier auf dem von Menschen wimmelnden Bahnhof. Schnell gehe ich zu den Waschräumen und Toiletten und ziehe mich in einer Kabine um. Das neue Kleid stopfe ich lieblos in meinen Koffer. Wieder merke ich, wie mir Tränen in die Augen steigen. Jetzt bloß nicht anfangen zu heulen. Kurze Zeit später stehe ich wieder in der großen Bahnhofshalle und suche auf der Anzeigentafel nach meinem Zug. Abfahrt 23:10 Uhr! Ich blicke immer wieder um mich, ich habe Angst entdeckt zu werden. Entdeckt von wem? Alexander? Jonathan? Oder sogar Madelaine?
Wieder schnürt mir der Gedanke an diesen ganzen Abend den Hals zu. Ich will nur noch weg hier. Ich bereue, überhaupt mit Alex nach London gekommen zu sein. Wie konnte ich mich so in ihm täuschen. Warum musste ich mich auch auf meine Gefühle verlassen? Wann werde ich endlich lernen, nicht auf mein dummes Herz zu hören, oder wenigstens ab und zu mal meinen Verstand
Weitere Kostenlose Bücher