Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz
nahm er ihre Hand in seine. „Du bist bei mir. An meiner Seite. Du gibst mir die Kraft, die ich brauche.“
Maryanne erwartete eine Auseinandersetzung mit seinem Onkel und straffte die Schultern, um dafür gewappnet zu sein, doch Dash ging auf die Tür zu, hinter der das Zimmer seiner Tante lag.
Die grauhaarige Xanthippe öffnete.
Es ist Weihnachten. ich muss freundlich und milde sein , ermahnte sich Maryanne im Stillen.
„Du hast also überlebt, Swansborough“, stellte Tante Helena fest. Über dem Arm trug sie ein schlichtes braunes Kleid.
„So ist es.“ Er schob sich an seiner Tante vorbei ins Zimmer. „Es ist furchtbar schwierig, mich zu töten, wie du weißt.“
Maryanne folgte ihm, und er streckte den Arm über sie hinweg und zog die Tür ins Schloss, während seine Tante sich abwandte und zu ihrem Bett schlurfte. Ihre schmalen Schultern waren nach vorne gebeugt, die Sehnen an ihrem Nacken und am Hals standen deutlich hervor.
„Ich war nie damit einverstanden, dir etwas anzutun, Swansborough“, erklärte sie, während sie das zusammengefaltete Kleid auf die Tagesdecke legte. „Zweimal hast du nur deshalb einen Unfall überlebt, weil ich nicht ertragen konnte zuzusehen, wie einem kleinen Jungen so etwas angetan wurde. Doch dann wuchsest du heran – und was bist du nun für ein Mann geworden? Du gehst verschwenderisch mit deinem Geld und achtlos mit deinem Anwesen um …“
„Ich hasste mein Haus wegen der Erinnerungen, die mich damit verbanden. Erinnerungen, an denen auch du Schuld hast“, unterbrach Dash sie. „Aber ich bin niemals achtlos mit meinem Anwesen umgegangen; ich habe mein Haus instand halten und reparieren lassen und mich immer darum gekümmert. Um all meine Besitztümer habe ich mich gekümmert. Und ich bin nicht zu dir gekommen, um über die Pflichten zu diskutieren, die ererbter Adel mit sich bringt.“ Langsam näherte Dash sich dem Bett, die Stimme zu einem tiefen, beruhigenden Murmeln gesenkt. „Du musst ihnen die Wahrheit sagen. Meinem Onkel und Robert. Sie müssen beide erfahren, was wirklich mit Simon geschehen ist.“
Maryanne runzelte die Stirn. „Ja!“, rief sie. „Dash war nicht dafür verantwortlich.“
Seine Tante wandte sich um. In ihren Augen stand die blanke Angst. „Ich kann es ihnen nicht sagen. Sie würden mich hassen. Mich verdammen. Seine Geliebte lebt in unserem Haus. Er ist verrückt.“
Dash beugte sich zu Maryanne hinunter und flüsterte: „Meine Tante war diejenige, die den Angriff organisiert hat, das falsche Erpresserschreiben und die Falle, in der mein Cousin umgekommen ist.“
„Aber warum?“ Maryanne starrte seine Tante an. Wie konnte diese Frau so furchtbare Dinge tun?
„Um meinem Onkel den Traum seines Lebens zu erfüllen.“ Als Maryanne den Mund öffnete, legte Dash ihr den Finger auf die Lippen. Doch eigentlich wusste sie gar nicht, was sie sagen sollte. Am liebsten hätte sie seine Tante aus dem Haus geworfen, doch als sie die alte Frau ansah, erkannte sie, was für einen furchtbaren Preis Helena Blackmore für ihre Taten gezahlt hatte.
„Aber wenn dein Onkel die Wahrheit nicht kennt …?“, stieß sie schließlich hervor.
Dash wandte sich seiner Tante zu. „Ich kann das Geheimnis nicht um deinetwillen bewahren. Mein Onkel hält mich für einen Mörder. Und auch Robert glaubt, sein Bruder sei durch meine Schuld gestorben.“
Helena Blackmore schüttelte heftig den Kopf. Ihre Hände zitterten. „Sie dürfen es nicht erfahren. Ich kann es ihnen nicht sagen … Sie würden mich verachten, und sie sind alles, was ich habe.“
„Es war ein Fehler, und Sie werden sich besser fühlen, wenn Sie dazu stehen.“ Selbst während Maryanne die Worte aussprach, konnte sie nicht glauben, dass sie dieser Frau Mitgefühl entgegenbrachte und bereit war, ihr zu helfen. Aber es war so. Sie sah das Leuchten in Dashs schwarzen Augen. Die Bewunderung.
„Ich begleite Sie“, versprach Maryanne. „Wir sagen es ihnen gemeinsam.“
„Warum wollen Sie das tun?“, wunderte sich Helena.
„Es kann sehr schwierig sein, sich ganz allein der Wahrheit zu stellen und ihre Konsequenzen zu tragen. An dem Tag, als Sie ankamen, im Salon …“ Maryanne stockte. Sie wollte nicht an die bösartigen Beleidigungen denken, die Helena Blackmore ihr entgegengeschleudert hatte. „Ihr Ehemann und Ihr Sohn lieben Sie. Sie sind ihnen beiden wichtig. Ihr Ehemann braucht Sie. Sie brauchen Sie beide.“
Sie legte den Arm um Helenas zerbrechliche Taille und
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