Samuel Carver 01 - Target
die leuchtende Spitze des Eiffelturms sehen, die in den Nachthimmel stach. Es waren noch einige Vergnügungsdampfer auf dem Wasser. Wäre Carver im geringsten interessiert gewesen, er hätte die Liebespaare Arm in Arm an der Reling stehen und auf die Lichter der Stadt schauen sehen. Doch er musste an andere Dinge denken. Carver schaute zur anderen Seite der Unterführung. Ihn interessierte nur der Verkehr.
Es war so weit. Carver atmete tief durch, senkte die Schultern, entspannte die Muskeln und ließ den Kopf kreisen, um den Nacken zu lockern. Dann sah er wieder auf die Straße.
Mehrere hundert Meter entfernt entdeckte er einen schwarzen Mercedes. Er fuhr schnell – viel zu schnell.
Hinter dem Wagen erschien der Grund für seine hohe Geschwindigkeit. Er wurde von einem Motorrad gejagt, das dröhnend hinter ihm herjagte wie eine angriffslustige Wespe. Der Mann auf dem Sozius hielt eine Kamera, mit der er sich zur Seite beugte und seine Blitzlichter abfeuerte, ohne auf die eigene Sicherheit zu achten. Er sah ganz nach einem Paparazzo aus, der seinen Hals für einen exklusiven Schnappschuss riskierte.
Schöner Beruf , dachte Carver, während er dem Raserteam bei der Arbeit zusah. Er ließ den Motor an und machte sich fahrbereit.
Einen Moment lang stellte er sich die Passagiere in dem Wagen vor, wie sie ihren Fahrer drängten, sich von den schonungslosen Verfolgern abzusetzen.
Alles lief nach Plan. Carver rollte bergab auf die Straße zu, die aus dem Tunnel kam.
Als er die Einmündung zur Tunnelstraße erreichte, tauchte aus der Unterführung ein fünftüriger grauer Citroën BX auf.
Carver ließ ihn vorbei und bemerkte zwei Araber auf den Vordersitzen. Ein weiterer Wagen fuhr vorbei, ein Ford Ka. Carver steuerte sein Motorrad in die Straßenmitte.
Er kreuzte auf die andere Seite der Fahrbahn; dann wendete er die Honda, fädelte sich in den Verkehr und schoss hundert Meter voran zur Ausfahrt der Unterführung. Dort standen eine Reihe Pfeiler in der Straßenmitte, die das Tunneldach stützten und die beiden Fahrspuren voneinander trennten. Carver hielt am letzten Pfeiler an und griff nach dem Blendlaser.
Dabei fiel ihm etwas auf.
Am Tunneleingang erschien ein alter weißer Fiat Uno. Er fuhr die vorschriftsmäßigen fünfzig Stundenkilometer und war somit nur halb so schnell wie der Wagen und das Motorrad, das hinter diesem herraste.
Carver kniff die Augen zusammen, als er den Laser aus seiner Jacke hervorzog. Ärgerlich zuckte er mit den Mundwinkeln. Das gehörte nicht zum Plan.
Der Mercedes und das Motorrad näherten sich dem weißen Kleinwagen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Es lagen noch hundert Meter zwischen ihnen … fünfzig … zwanzig …
Der Mercedes brauste auf der rechten Spur hinter den Fiat und scherte nach links zum Überholen aus. Dem Motorradfahrer blieb keine Wahl. Er musste andersherum überholen und sich zwischen den Fiat und die Tunnelwand quetschen. Ohne ihn zu streifen, schoss das Motorrad durch die Lücke und auf die freie Bahn.
Der Mercedes hatte dieses Glück nicht. Der vordere Kotflügel auf der Beifahrerseite erfasste den Fiat von hinten, krachte in dessen Rücklichter und zerbeulte das dünne Blech.
Durch den Tunnel hallte das Motorengeheul, das Klirren der Plastiksplitter, der blecherne Knall des Zusammenstoßes. Doch unter dem Helm fühlte sich Carver isoliert, unbeeinträchtigt von dem Chaos, das auf ihn zuraste.
Er konnte beobachten, wie der Fahrer des Mercedes versuchte, ein Schleudern seines Fahrzeugs zu verhindern. Der Kerl war gut. Der Wagen fing sich wieder. Jetzt kam er auf Carver zu.
Carver stand so still wie ein Matador, der dem herangaloppierenden Stier entgegensieht. Er hob den Laser und zielte auf die Windschutzscheibe. Dann drückte er den Schalter.
Das Licht leuchtete augenblicklich auf. Ein Strahl überbrückte die rasch kleiner werdende Entfernung zwischen Carver und dem anbrausenden Mercedes. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann war der Lichtstrahl wieder verschwunden; aber der Schaden war angerichtet.
Der Mercedes schlingerte nach links. Irgendwo tief im instinktiven Gehirnteil des Fahrers musste ein Alarmsignal ertönt sein. In dem verzweifelten Versuch, den Wagen zum Halten zu bringen, trat er das Bremspedal durch.
Er hatte keine Chance. Der zwei Tonnen schwere Wagen krachte gegen einen der Mittelpfeiler; die rasende Fahrt endete in plötzlichem Stillstand. Die Motorhaube knautschte zusammen, genau so wie sie sollte, um dem
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