Samuel Carver 01 - Target
Aufprall etwas von seiner Wucht zu nehmen.
Doch da war zu viel Geschwindigkeit, zu hohes Gewicht, zu viel Wucht im Spiel. Der zerdrückte Mercedes prallte von dem Pfeiler ab und schleuderte auf die Straße zurück. Schließlich blieb er in der Mitte der Straße stehen, mit der Front gegen die Fahrtrichtung.
Vorne sah er aus wie ein Matchboxauto, das von einem Baseballschläger getroffen worden war, denn Kühlerhaube und Motorraum waren U-förmig eingedrückt. Die Windschutzscheibe war zersplittert, ebenso alle anderen Scheiben. Das linke Vorderrad war nach außen verbogen, das Rad auf der anderen Seite in die Karosserie geschoben. Über den Vordersitzen war das Dach aufgerissen und in den Innenraum gedrückt. Der Druck von vorn und von oben hatte alle vier Türen geöffnet.
Aus dem Wagen kam kein Lebenszeichen. Carver wusste, dass die Chancen minimal waren, einen solchen Aufprall zu überleben. Aus den Augenwinkeln heraus sah er ein Auto in der Gegenrichtung an sich vorbei und in den Tunnel fahren.
Der Fiat kam aus der Unterführung. Carver sah kurz das Entsetzen des Fahrers. Dann fiel ihm noch etwas auf: ein Hund auf dem Beifahrersitz. Er ließ die Zunge heraushängen und hechelte zufrieden. Die Zerstörung, die hinter ihm verschwand, bedeutete ihm nichts.
Carver klemmte den Laser wieder an den Motorradtank. Er war versucht, zu dem Unfallwrack zu gehen und zu prüfen, ob die Zielperson tot war, aber das hatte nur wenig Sinn. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand den vernichtenden Aufprall überlebt hatte, gab es nichts, was Carver hätte tun können, ohne der Polizei eine Spur zu hinterlassen. Und selbst wenn Ramzi Hakim Narwaz noch am Leben sein sollte, würde er in nächster Zeit keine Terrorpläne mehr schmieden.
Es war Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Am anderen Ende des Tunnels waren ein paar Fußgänger zu sehen, die herüberspähten und sich nicht entscheiden konnten, ob sie zu den Verunglückten hinlaufen sollten oder nicht. In der Ferne hörte Carver Motorräder brummen, die sich rasch näherten. Die Leute würden Kameras bei sich haben. Ihnen würden Polizei, Notarzt und Feuerwehr folgen.
Wenn sie eintrafen, wollte Carver nicht mehr da sein. Er musste verschwinden, bevor jemand auf die Idee kommen konnte, dass das kein gewöhnlicher Verkehrsunfall gewesen war. Carver drehte um hundertachtzig Grad und fuhr die Ausfahrt aus dem Alma-Tunnel hinauf.
SONNTAG, 31. AUGUST
6
Das andere Motorrad hielt zweihundert Meter weit entfernt auf der Avenue de New York, direkt unter dem neoklassizistischen Gebäude des Palais de Tokyo, in dem das Museum der modernen Künste untergebracht ist.
Grigori Kursk auf der Ducati M900 Monster stellte die Füße auf den Boden und schob das Visier hoch. Er hatte ein räuberisches Grinsen im Gesicht, und in den Augen brannte der gierige Hunger eines Mannes, für den das Töten nicht nur ein Beruf, sondern ein Zwang war – ein Zwang, den er befriedigen würde, ob er nun dafür bezahlt wurde oder nicht.
Kursk drehte sich zu seinem Sozius um, der soeben die Kamera in einer der beiden Packtaschen verstaute. »Hast du das gesehen?«, krächzte er auf Russisch. »Hast du das Gesicht des Fahrers gesehen? Der jämmerliche Bastard wusste gar nicht, was er tun sollte. Jetzt ist er französische Pastete!«
Er schwieg eine Sekunde, dann kam er zum Geschäftlichen, und seine Stimme wurde ruhiger. »Gut, das war so einfach, wie ich es versprochen habe. Jetzt lass uns fahren und die andere Hälfte des Geldes holen.«
»Aber mach schnell, es ist höllisch unbequem hier hinten«, erwiderte sein Mitfahrer. »Ich habe die Knie an den Ohren.«
Kursk lachte. »Ha! Ich dachte, das gefällt dir!« Er wandte sich wieder dem Lenker zu und fuhr ein paar Meter weiter, bis er eine Lücke zwischen den parkenden Autos gefunden hatte, die für das Motorrad groß genug war. Er stellte sich so hin, dass er aus der Kurve blicken und das andere Ende des Tunnels sehen konnte.
Der Russe nahm ein Nachtsichtgerät aus der Brusttasche seiner Lederjacke und hielt es ans rechte Auge. Er suchte nach dem Mann, der dort mit einem Motorrad gestanden hatte. Kursk wusste nur zwei Dinge über ihn: Er war bei den britischen Spezialkräften gewesen, und er war sein nächstes Ziel.
7
Carvers Rückweg durch die Stadt war einfach. Er wollte dem Fluss folgen, bis er den Autobahnring um Paris erreichte, die Stadt gegen den Uhrzeigersinn umfahren und dann die A5 nach Südosten nehmen. Vor Morgengrauen wäre er
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