Samuel Carver 02 - Survivor
Gläser, die ein gebogener Kanal miteinander verband. Genau in der Mitte des westlich gelegenen Sees befand sich eine Insel. Doch sie flogen noch zu hoch und würden darüber hinausschießen.
Der Pilot brummte eine Reihe von Kraftausdrücken in seine Atemmaske und führte das Flugzeug in den Sturzflug. Er hatte eigentlich in einem flachen Gleitflug hinunterkommen wollen. Jetzt musste er wie ein Sturzbomber zu dem See hinunterschießen, im letzten Moment hochziehen und beten, dass die Leitungen den Zug aushielten.
Das Flugzeug sauste auf den See zu, bis im Blickfeld des Cockpits nur noch Eis zu sehen war.
Jetzt waren sie über der ersten runden Seefläche und noch fünfhundert Fuß hoch. Der Pilot zog mit einem Ruck den Steuerknüppel zurück, damit sich die Höhenruder hoben, und riss den Jet aus dem Sturzflug.
Im hinteren Wartungsschacht waren die Kabel, die den Piloten mit den Ruderflächen verbanden, bis auf die Drahtstränge verbrannt, und die Forderung nach mehr Hub erhöhte deren Spannung.
Die Nase wollte nicht hochkommen. So würden sie ins Eis krachen.
Die Drähte fingen an, sich aufzudröseln.
Das Eis war nur noch hundert Fuß unter ihnen.
Und dann endlich hob sich der Jet aus dem Sturzflug, und der Winkel wurde flacher. Genau in diesem Augenblick rissen die letzten Kabelstränge durch, das Höhenruder war nicht mehr zu steuern, und das Flugzeug fiel die letzten fünfzig Fuß in einer dramatischen Bauchlandung auf die Eisdecke, sodass das Fahrgestell brach und der Rumpf wie ein Eishockeypuck über den See schlitterte.
Irgendwie fand es einen Weg über den gekrümmten Verbindungskanal zwischen den beiden Seehälften. Die Wucht des Aufpralls hatte die Stewardess von ihrem Klappsitz katapultiert, sodass sie ohne Sauerstoffmaske hilflos zwischen den Sitzen entlang durch die Kabine flog, bis sie gegen die Rückwand schlug und reglos am Boden liegen blieb.
Waylon McCabe dachte nur ans eigene Überleben. Er war heil am Boden angekommen, und das nahm er als gutes Zeichen.
Dann stieß die Spitze der linken Tragfläche gegen die felsige Oberfläche der Insel, die aus dem See ragte. Der Flügel wurde weggeschoren, und das Flugzeug drehte sich dadurch in eine andere Richtung.
In der Mitte einer kleinen Bucht stieß es ans Ufer, preschte den vereisten Strand hinauf, bis der Backbordflügel gegen einen Felsbrocken stieß und abriss, sodass der Rumpf wie ein Pfeil zwischen Felsblöcken und Bäumen hindurchschoss, wo er eine breite Schneise in den tiefen Schnee zog und junge Bäume niederwalzte. Schließlich prallte er frontal gegen eine dicke alte Kiefer.
Der Aufprall erfolgte nicht genau in der Mitte, sondern auf der Seite des Piloten. Der wurde zerquetscht wie eine Fliege an der Windschutzscheibe, als seine Hälfte des Cockpits zusammengedrückt und der Rumpf ein Stück weit aufgerissen wurde. McCabes letzter noch lebender Begleiter wurde mit seinem Sitz nach draußen geschleudert und zwanzig Meter entfernt von einem Ast aufgespießt.
Der letzte noch unbeschädigte Teil des Flugzeugs prallte von einem Felsen ab. Die verbliebene Cockpithälfte brach ab und riss den Kopiloten mit, während das größte Stück der Passagierkabine auseinanderknickte wie ein trockener Zweig. Der letzte Rauch entwich in die eiskalte Luft. Und Waylon McCabe sank auf seinem Sitz zusammen. Er war bewusstlos, aber er war am Leben.
FÜNF JAHRE SPÄTER: JANUAR 1998
4
Samuel Carvers Zimmer hatte eine Hunderttausenddollaraussicht über das Wasser zu den schneebedeckten Gipfeln, die sich in dicht geschlossenen Reihen jenseits des südlichen Ufers erhoben. Während die Berge fest und unveränderlich erschienen, zeigte der Himmel darüber Licht-, Färb- und Stimmungsvariationen und verdunkelte die herrliche Landschaft, um sie im nächsten Augenblick wieder in Licht zu tauchen. An klaren Tagen konnte man an diesem Fenster stehen und bis zum Mont Blanc sehen. Es war, als brauchte man nur die Hand auszustrecken und könnte die schwarzen Adern berühren.
Aber Carver stand nicht am Fenster. Nachdem er über so viele Menschen den Tod gebracht hatte, war er nun zu einem Leben im Dämmerzustand verdammt, gefangen in einer einsamen Hölle. Er lag im Bett, zusammengekrümmt wie ein Fötus. Das Zimmer war beheizt, doch er zog vor Kälte die Schultern hoch. Es war still, aber er drückte sich die Handflächen auf die Ohren und krallte die Finger in die Haare am Hinterkopf. Das Licht war gedämpft, doch er kniff die Augen fest zu, als würde er
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