Samuel Carver 05 - Collapse
richten?«
»Allenfalls die: Ich wünschte, sie hätten nicht versucht, den Boten zu erschießen! Und ich hoffe, dass die Polizei sie festnehmen kann und der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Aber hier geht es nicht um mich und auch nicht um die Terroristen. Das Wichtige ist, dass anständige, hart arbeitende Leute am Dienstag ums Leben gekommen sind, und die verdienen es, dass wir ihrer gedenken. Ihr Opfer muss geehrt werden. Sie dürfen nicht umsonst gestorben sein. Wir müssen das gesamte Problem der Energiesicherheit viel ernster nehmen. Das sage ich schon seit langem, und um ehrlich zu sein, ist es einfach entsetzlich, auf diese Weise recht zu behalten.«
Die Journalistin setzte ihr mitfühlendstes Gesicht auf und nickte gedankenvoll. »Wie haben Sie es empfunden, als manche Leute unterstellten, Sie steckten hinter dem Anschlag auf die Raffinerie?«
»Ach, wissen Sie, das war nicht einfach für mich. Ich habe an dem Tag in Nicholas Orwell einen lieben Freund verloren. Und es ist ein Wunder, dass ich den Anschlag gestern Nachmittag überlebt habe. Sie können mir glauben, ich habe nichtsinitiiert. Ich bin Finanzmakler. Ich schließe Geschäfte ab. Ich bringe keine Leute um.«
»Da Sie von Geschäften sprechen: Sie hatten angekündigt, Ihren Fonds, Zorn Global, morgen hier in London mit einem Galaempfang zu eröffnen. Wird er nun stattfinden?«
»Selbstverständlich. Ich bin am Leben, bin so gut wie unversehrt. Ich werde den Terroristen nicht die Befriedigung verschaffen, mich geschlagen zu haben. Ich werde dort sein.« Drinkwater beugte sich verschwörerisch vor. »Und ich sag Ihnen was, vielleicht kann ich Ihnen auch eine Einladung besorgen!«
Cameron Young sah ihm in seinem Büro in der Downing Street dabei zu. »Frecher Bursche!«, sagte er zu niemandem im Besonderen. Doch ein bisschen Humor konnte nicht schaden. Wenn sie die nächsten paar Tage überstünden und die Märkte stabil, Zorns Investoren bei Laune und der echte Zorn für immer in der Versenkung bleiben würde, dann war die Million Gage für Drinkwater gut angelegt.
Zorn sah das Interview ebenfalls. Was ihn betraf, so war die Information, dass Drinkwater an seiner Stelle den Gastgeber spielen würde, die bestmögliche Neuigkeit. Er rief sofort Razzaq an.
»Der Empfang geht wie geplant vonstatten«, sagte er.
»Verstehe. Dann kann ich also davon ausgehen, dass wir alles so machen, wie wir es ursprünglich vorhatten?«
»Können Sie«, sagte Zorn. »Wir werden sie vernichten.«
84
Wax Chandlers’ Hall und Cheapside, London
Malachi Zorn war noch nie daran interessiert gewesen, Firmen als langfristige Kapitalanlage zu erwerben. Das überließ er Warren Buffett. Aber zugunsten seiner laufenden Unternehmung hatte er sechs Monate und über eine Milliarde Dollar geopfert und die Aktienmehrheit bei einer Reihe schnell wachsender indischer Computerfirmen gekauft. Jedes Mal verbarg er sich hinter einem Netz von Scheinfirmen, obwohl die Entscheidung über den Firmenkauf allein seine war. Dann gründete er eine Holdinggesellschaft und nannte sie nach dem Hauptanteilseigner, einem bislang unbekannten Unternehmer namens Ashok Bandekar. Zorn selbst blieb für die indischen Medien ein Rätsel, und das gestaltete er noch spannender, indem er das ein oder andere Detail über seine vergangenen und gegenwärtigen Aktivitäten regelmäßig in die Blogosphäre entließ, was dann wie immer von den herkömmlichen Medien aufgegriffen wurde. Bandekars Firma dagegen wirkte wie eine typische Erfolgsstory im neuen modernen Indien.
Die Polizisten und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, die für den Schutz der Zorn-Global-Veranstaltung eingeteilt waren, stellten fest, dass Bandekar Technologies die Wax Chandlers’ Hall für drei Tage gemietet hatte, sahen darin aber keinen Grund zur Beunruhigung. Das Unternehmen gab es tatsächlich. Die Führungskräfte, die von der Personalbeschaffungsfirma zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden waren, schienen alle echt zu sein: unbescholtene britische Bürger mit eindrucksvollem Lebenslauf. Die Sicherheitsleute, die sie am Eingang in Empfang nahmen und ihre Identität überprüften,gehörten alle zu einer angesehenen Firma, die nur Mitarbeiter mit makelloser Vergangenheit beschäftigte. Die Empfangsdame, die sodann dafür sorgte, dass die Neuankömmlinge sich wohl fühlten, solange sie auf das Gespräch mit Mr Bandekar warteten, hatte eine ebenso respektable Vorgeschichte. Und jeder der Eingeladenen war überzeugt, er habe
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