Samuel Carver 05 - Collapse
weil ihre Boni dieses Jahr vielleicht eine oder zwei Nullen weniger haben.«
Ginger lachte. »Mir war gar nicht aufgefallen, dass du so ein Zyniker bist, Sam.«
»Durchaus, aber egal wie zynisch ich bin, die Wirklichkeit ist meistens viel übler.«
Shafik schnaubte verächtlich. »Werden Sie erwachsen, Carver. All die kleinen Leute können nur dann ein bisschen Geld machen, wenn die großen Leute viel Geld machen. So funktioniert das System. Alles andere … wäre Kommunismus.«
»Aber warum wollen Sie Zorn gerade jetzt beseitigen lassen?«, fragte Carver. »Er scheint doch schon seit längerem tätig zu sein. Woher der plötzliche Wunsch, ihn zu stoppen?«
»Weil«, setzte Ginger an, stockte aber und sah Shafik an. »Verzeihung. Ich möchte nicht vorgreifen.«
»Keineswegs … nur weiter.«
»Weil Zorn bisher immer allein gearbeitet hat«, erklärte Ginger. »Das war auch die Quelle seines geheimnisvollen Nimbus: ein Mann, der sein eigenes Geld gegen das System setzt.«
»Oder ein verwöhnter Playboy, der auf Kosten anderer Leute seine selbstsüchtigen Spiele treibt«, blaffte Shafik.
Ginger verdrehte spöttisch empört die Augen. »Du wirst es meinem Boss nachsehen müssen, Sam. Er nimmt unsere Arbeit manchmal sehr persönlich.«
»Dein Boss interessiert mich einen Dreck«, erwiderte Carver. »Erzähl mir von Zorn. Was hat sich geändert?«
»Zum ersten Mal in seiner Laufbahn bekommt er Partner, seriöse Investoren. Mit deren Geld gründet er einen Fonds: Zorn Global. Sehr privat, sehr exklusiv, aber auch finanziell sehr gut ausgestattet. Er wird einige zehn Milliarden Dollar hinter sich haben, die alle von superreichen Einzelpersonen stammen, nicht von Finanzinstituten.«
»Also hat er mehr Druckmittel und kann aus ihrem Blickwinkel betrachtet mehr Schaden anrichten?«
»Vollkommen richtig, Mr Carver«, sagte Shafik.
»Na, dann haben Sie in einem Punkt recht: Ich hätte den Auftrag abgelehnt.«
»Aber?«
»Aber jetzt denke ich über meine Optionen nach. Und ich will die Details wissen. Wann soll es gemacht werden? Wo? Wie? All diese Dinge.«
Ginger schaltete sich wieder ein. »Es muss schnell passieren. Zorn eröffnet seinen Fonds Ende nächster Woche in London.«
»Wieso tut er das nicht an der Wall Street?«
»Seine Investoren kommen aus aller Welt. Der Fonds wird global arbeiten. Die Wall Street dient der weltweit größten Binnenwirtschaft, aber London ist das Zentrum der internationalen Finanzwirtschaft.«
»Und außerdem halten sich seine Investoren zu dieser Jahreszeit gern dort auf«, erklärte Ginger weiter. »Sie besuchen Partys, Royal Ascot, Wimbledon. Sie kennen das. Zorn ist tennisversessen. Er wird nächste Woche an mehreren Tagen in Wimbledon sein: Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag.«
Carver konnte sich nicht verkneifen zu fragen: »Was ist mit den Tagen dazwischen?«
»Da finden die Viertel- und Halbfinals sowie das Endspiel der Damen statt. Zorn ignoriert sie. Beim Tennis ist er Sexist.«
»Oder Realist«, warf Shafik ein.
Ginger weigerte sich, anzubeißen, und redete weiter. »Er hat Karten für sich und seine Gäste, Debenture Tickets, die besten für den Centre, Number One und Number Two Court, jeweils sechs. Er hat es gern, wenn er zwischen allen wichtigen Spielen wählen kann. Dafür gibt er pro Tag Zehntausende Dollar aus, aber das kann ihm ja egal sein.«
»Er fragte sogar nach, ob er eine Loge im Lord’s mieten kann«, sagte Shafik kopfschüttelnd. »Als verstünde er etwas von Kricket.«
»Also, wen interessiert denn Kricket?«, meinte Ginger lachend als Revanche. Sie lächelte Carver an, um ihn zum Komplizen ihres sanften Spotts gegen Shafik zu machen und erneut eine Beziehung zu ihr herzustellen. »Der entscheidende Tag ist der kommende Freitag, der 1. Juli. Da wird Zorn seinen Fonds offiziell bei einem Empfang in der Goldsmith’s Hall in der Londoner City vorstellen, vor exklusiven, handverlesenen Gästen – seinen Investoren, hochrangigen Politikern und Bankiers.«
»Einschließlich derer, die ihn umbringen lassen wollen?«
»Möglich«, gab sie zu.
»Und da wunderst du dich, warum ich zynisch bin?«
»Es werden außerdem einige Persönlichkeiten der Presse und Unterhaltungsbranche anwesend sein«, sagte Shafik. »Zorn ist nicht dumm. Er weiß, dass die mehr Aufmerksamkeit anziehen werden als eine Schar unattraktiver Milliardäre mittleren Alters.«
»Aber Sie wollen, dass Zorn an seiner Party noch teilnimmt?«
»Keineswegs.«
Carver trank von
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