Samuel Carver 05 - Collapse
Freunde und Kollegen mit angesehen hatten.
Dann kam der verloren gegangene BBC-Wagen an, und eine einzelne Reportage ging um die Welt – mit Bildern, die die globalen Finanzmärkte in Hektik versetzten, während die Händler durchdachten, was daraus folgte, wenn die Raffinerie einer großen amerikanischen Ölgesellschaft in einem befreundeten Land Opfer eines terroristischen Angriffs wurde. Bei dem Angriff waren drei Mitglieder der britischen Regierung, eine EU-Ministerin, ein höherer US-Diplomat, Nicholas Orwell und, falls man den Gerüchten, die im Internet bereits kursierten, glauben durfte, der Kommandeur der britischen Special Forces, ums Leben gekommen.
Wie beim 11. September waren die finanzwirtschaftlichenFolgen prompt und in der ganzen Welt spürbar. Der Ölpreis schoss in die Höhe. Ebenso der Goldpreis, da die Anleger jetzt Sicherheit wollten. Das Pfund Sterling stürzte ab. Britische Staatsanleihen wurden zu Schleuderpreisen abgestoßen. Die Bank von England hatte den Zinssatz noch nicht erhöht, doch das konnte nur eine Sache von Minuten sein und würde zusätzlichen Abwärtsdruck auf die britische Wirtschaft ausüben. Der FTSE-Index in London fiel um fast acht Prozent, als die Energieaktien, die schon durch die jüngsten Bemerkungen Zorns geschwächt waren, in den Keller gingen. Versicherungsgesellschaften waren betroffen, sobald klar wurde, dass der Wiederaufbau der Raffinerie Milliarden kosten würde. Die Aktien von Fluggesellschaften, Flughafenbetreibern, Hotelketten und Internet-Reiseanbietern auf beiden Seiten des Atlantiks fielen, sobald die Märkte entschieden, dass Reisende aus USA aus Angst vor Anschlägen England als Touristenziel meiden würden. Aktien von Waffenproduzenten stiegen dagegen. Es war vernünftig anzunehmen, dass die schonungslosen Kürzungen bei den britischen Verteidigungsausgaben nun zurückgenommen würden. Aufgrund der Tatsache, dass Großbritanniens Energiereserven in der Hand ausländischer Firmen waren, wie Zorn während seines Interviews bei der BBC ebenfalls herausgestellt hatte, gab es einen Dominoeffekt an den europäischen Börsen. Da die New Yorker Börse um halb drei am Nachmittag Westeuropäischer Zeit öffnen würde, würde er auch die Wall Street treffen wie ein Tsunami, der den Atlantik überquerte.
In der Downing Street herrschte Entsetzen und stumme Verzweiflung, in den Finanzinstituten hektische Betriebsamkeit. Doch in Zorns gemietetem Haus auf dem Wentworth-Anwesen schallte nur das triumphierende Lachen eines Mannes, der sich ein frühes Weihnachtsfest beschert hatte und der das Ganze noch beglückender fand, als er sich erträumt hatte. Dieswar der größte Finanzcoup aller Zeiten. Er hatte etliche Milliarden Dollar, Pfund, Euro, Yen und chinesische Yuan gemacht. Die brauchte er jetzt nur noch einzusammeln. Wenn die Anleger ähnlich wie nach dem 11. September reagierten, würden die Märkte bald geschlossen werden. Ihm blieben nur ein paar Minuten, um alle seine Positionen abzustoßen und seine Gewinne einzusammeln. Er durfte keine Sekunde verlieren.
54
Kensington Park Gardens
Alix sah Azarows Lippenbewegungen und konnte hören, was er sagte. Sie wusste – weil er das eigens betont hatte, um zu zeigen, dass sie ihm wichtig war –, dass er eine wichtige Geschäftsbesprechung abgesagt hatte, um mit ihr zusammen zu sein. Doch er vergeudete seinen Atem. Sie fühlte sich von ihm so losgelöst, dass nichts mehr daran zu ändern war. Er stand ihr so fern und war ihr so unwichtig wie der Reporter im Fernsehen in der anderen Wohnzimmerecke, der gerade redete, aber ignoriert wurde.
»Glaub nicht, was in der Zeitung über diese Frauen gesagt wird, die ich getroffen haben soll«, sagte Azarow gerade und steigerte sich in eine selbstgerechte Empörung hinein. »Diese … Wie werden sie genannt? … Partygirls, die behaupten, ich hätte mit ihnen geschlafen. Das ist alles gelogen. Diese Frauen sind nur auf Geld aus, und Journalisten sind Wanzen, die jede Verleumdung verbreiten, um ihre Schmutzblätter zu verkaufen …«
Er meinte, sie überzeugen zu müssen. Das war offensichtlich. Aber Alix war es gleichgültig, ob er mit einem Partygirl oder zehn oder hundert im Bett gewesen war. Sie hatte nur noch Carver im Kopf. Immer wieder durchfuhr sie ein Kribbeln im Unterleib wie Echos ihres Zusammenseins.
»Die ganze Zeit über, wo ich weg war, dachte ich nur an dich«, beteuerte Azarow. »Ich habe nachts von dir geträumt, habe dich neben mir vermisst …«
Alix
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