Samuel Carver 05 - Collapse
verarbeiten, was er gerade erlebt hatte. Es war Zeit, sich zusammenzureißen.
»Also«, begann er. »Sie haben es folgendermaßen gemacht: Der Campingbus mit den Raketen stand in einer alten Scheune auf einem verlassenen Bauernhof ungefähr einen Kilometer von der Raffinerie entfernt. Sie waren mit einem Zeitzünder versehen, der ebenfalls einen Brandsatz auslöste – dem Geruch nach war es Benzin. Nachdem die Raketen abgefeuert waren, brannte der Bus aus, sodass alle Spuren der Täter vernichtet wurden. Das war die Arbeit eines Profis, wie aus dem Handbuch der IRA.«
»Wirklich? Sie glauben, da waren Paddies beteiligt?«
»Vielleicht … Genauso gut kann es auch einer von unseren Leuten gewesen sein. Jeder, der während der Unruhen in Ulster gedient hat, oder wer mal beim Kampfmittelräumdienst war, hat so was schon gesehen.«
»Aber wie können die von der Konferenz heute gewusst haben?«
Carver dachte einen Moment nach. Nein, das stand außer Frage. »Haben sie nicht«, antwortete er entschieden. »Die wurde in letzter Minute anberaumt. Niemand hat vorher davon gewusst. Darum war es ja so ein Durcheinander. Die Organisation, das Sicherheitskonzept, die Berichterstattung – das war ein Witz. Der Anschlag aber war das genaue Gegenteil. Der war sehr sorgfältig geplant. Wer die Raketen abgefeuert hat, hat jede einzelne vorher millimetergenau eingestellt, den Abschusswinkel auf ein Zehntelgrad ermittelt. Jede hat ihr Ziel getroffen. Die Raketen zu bauen und das entsprechende Gerüst dazu, dann die Geschosse mit dem Sprengstoff … Nein, das war keine Arbeit auf die Schnelle. Ich würde sagen, die haben Wochen, wenn nicht Monate zur Vorbereitung gebraucht.«
»Das heißt also – es war nur ein blöder Zufall? Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht? Es sind schon seltsamere Dinge passiert. Auch wenn es ein Zufall war, dass der Anschlag und die Konferenz für denselben Ort und dieselbe Zeit geplant waren, so dürfte an der Zeit und dem Ziel des Anschlags selbst gar nichts zufällig sein. Überlegen Sie mal: Einen Tag, nachdem Malachi Zorn der ganzen Welt erzählt, dass Umweltterrorismus die neue große Gefahr ist, sprengt jemand eine Ölraffinerie in die Luft. Was schließen Sie daraus?«
»Zumindest, dass beides ein bisschen zu nah beieinanderliegt.«
»Genau. Und was passiert gerade an den Börsen? Lassen Sie mich raten. Der Ölpreis schießt in die Höhe, Aktien stürzen in den Keller …«
»Das und noch mehr«, bestätigte Grantham. »Es ist eintotaler Albtraum. Die Wirtschaft war sowieso schon schwach. Ein Vorfall wie dieser kann zum Zusammenbruch führen.«
»Und dabei kassiert Malachi Zorn ab. Ganz bestimmt. Die Sache war dafür eingefädelt worden.«
»Nur dass Orwell … Wie erklären Sie das? Meinen Sie ernsthaft, Zorn hat seinen engsten Mitarbeiter absichtlich geopfert?«
»Ich weiß es nicht«, räumte Carver ein. »Möglich ist es. Bei der Menge Geld, die er damit machen konnte, schätze ich, dass er zu allem bereit war. Aber Sie haben recht … Ich habe keinen konkreten Anhaltspunkt, um den Anschlag mit Zorn in Verbindung zu bringen.«
»Da kann ich vielleicht Abhilfe schaffen«, sagte Grantham. »Heute früh, Stunden vor dem Anschlag, ist jemand zu einer Farm in Wales gefahren, die völlig einsam liegt, und hat vier Männer und eine Frau erschossen. Die hatten sich nach Aussagen der Einheimischen seit einigen Tagen dort aufgehalten. Die Polizei untersucht den Tatort gerade. Sie haben festgestellt, dass dort Bomben gebaut wurden. Sie fanden ein paar Kilo selbstgemachten Sprengstoff, Benzinkanister verschiedener Größe, Stahlträger, Schweißgeräte –«
»Was man alles braucht, um so einen Raketenwerfer zu bauen, den ich gesehen habe«, sagte Carver.
»Ganz recht.«
»Aber die Bastler sind alle tot. Was nützt uns das?«
»Nicht alle. Eine Frau hat überlebt, eine gewisse Deirdre Bull. Sie hat versucht, den Mördern zu entkommen. Die haben sie verfolgt, niedergeschossen und liegen lassen, weil sie sie für tot hielten. Aber sie lebte noch. Jetzt liegt sie auf der Intensivstation im Bronglais General Hospital in Aberystwyth. Ach, und noch eine interessante Kleinigkeit: Als sie geborgen wurde, sagte sie zu einem Arzt, er müsse den Anschlag verhindern.«
»Wie bitte? Sie hat denen von Rosconway erzählt?«
»Leider nicht. Sie hat nur was von einem Anschlag gesagt, und der Mann hat geglaubt, sie meinte den auf die Farm.«
»Oh Mann. Ist sie schon verhört worden?«
»Scheinbar noch
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