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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
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etwa so alt aus wie ich, Anfang 20 also, trug Dreadlocks bis zum Rücken und hatte, so erzählte er mir, einige Jahre im Dschungel verbracht – allein mit der Natur auf einem Stück Land, das ihn ernährte.
    Das faszinierte mich sofort, denn schon einige Male hatte ich darüber nachgedacht, dass ich am liebsten jeglichem Konsum und der Zivilisation für eine Weile entfliehen und auf mich allein gestellt in der Natur leben wollte.
    Ich fragte ihn: „Wie viele Jahre warst du da draußen im Wald?“
    Er sagte: „Fast zehn Jahre!“
    Ich runzelte die Stirn. „So alt bist du doch noch gar nicht, dass das stimmen könnte!“
    Er zückte seinen Pass und zeigte auf das Geburtsdatum. Er war 42 Jahre alt, nicht Anfang 20! Seine strenggläubigen Eltern hatten ihn wegen seiner Dreadlocks verstoßen. In der Einsamkeit hatte er dann zu sich und zu Gott gefunden.
    In den Gesprächen mit ihm wurde mir ganz neu bewusst, dass ich ziemlich weit von dem Weg abgekommen war, den ich eigentlich mal eingeschlagen hatte. Das war für mich ein Wendepunkt, an dem ich beschloss: „Jetzt ist Schluss mit lustig. Gott soll wieder von einer Randerscheinung in meinem Leben zum Mittelpunkt werden.“
    Bei Gerry und seinem Mitbewohner Markus fand ich dann auch eine Unterkunft für den Rest der Praktikumszeit.
Eine Chance in Hannover
    Inspiriert und unterstützt von den Münchener Schauspielern sprach ich an den beiden staatlichen Schauspielschulen Münchens vor: der Otto-Falkenberg-Schule der Kammerspiele und der August-Everding-Schauspielschule, die beim Prinzregententheater beheimatet ist. Obwohl ich dort reichlich unvorbereitet auflief und entsprechend nach Hause geschickt wurde, hatte ich Spaß an der Sache gehabt und bewarb mich, wie mir empfohlen wurde, pauschal an vielen weiteren staatlichen Schauspielschulen Europas.
    Viel Hoffnung machte ich mir erst mal nicht. Die Schauspieler in München hatten mir alle gesagt, dass es ganz normal war, dass man 17-, 18-mal vorsprechen musste. Und bei einem der Vorsprechtermine war ich auf ein Mädchen gestoßen, das heulend auf der Treppe vor der Schauspielschule saß, weil sie auch beim 42. Mal nicht angenommen worden war. So lange würde ich es nicht probieren , dachte ich.
    Nach dem Praktikum zog ich um. Von München nach Hamburg. Parallel zu Vorsprechterminen besuchte ich die älteste, staatlich anerkannte Schauspielschule Hamburgs, das Schauspielstudio Frese. Dort lernte ich viel und fand gute Freunde – und der Spaß kam natürlich auch nicht zu kurz.
    Nach Absagen in Salzburg, Essen und Ludwigsburg machte ich mich etwas irritiert und ohne allzu große Erwartungen, aber zunächst gut gelaunt auf den Weg nach Hannover, um an der Hochschule für Musik und Theater vorzusprechen. Obwohl ich verschlafene 6 Stunden später als geplant zum Vorsprechen erschien, kam ich zu meiner Überraschung in die nächste Runde, und später lud man mich in die Endrunde ein. Termin: Mittwoch, der 3. März 2010.
    Mein Repertoire war klein, aber fein: eine Rolle aus Macbeth , der Karl von Moor aus Schillers Räuber , Franz Pinsel aus dem Terrorprogramm von Marc Becker. In der Endrunde sollte der harte Kern aus 30 Bewerbern außerdem singen, tanzen, ein Gedicht aufsagen, improvisieren oder als Affe rumhüpfen.
    Am Donnerstag erreichte mich ein Anruf aus Hannover: „Sie sind angenommen!“
    Ich freute mich wie verrückt, denn eine solche Prüfung ist mit nicht wenigen Strapazen verbunden. An einigen Schulen wird man in durchaus unangenehme Situationen gebracht und manchmal sogar gedemütigt.
    Nach meiner Zusage in Hannover sprach ich noch an weiteren Schulen vor, an denen ich mich ohnehin schon beworben hatte, um Erfahrungen zu sammeln. Meistens machte die Vorsprecherei mir Spaß – aber nicht immer. In Leipzig hörte ich nach meinem Auftritt: „Deutschland hat große Bühnen mit großen Frauen, und Sie sind zu klein. Tut uns leid, wir nehmen Sie nicht!“

Manuel (Schauspielstudent in Hamburg):
Samuel und ich wohnten im gleichen Studentenwohnheim in Hamburg. Eines Morgens kam er zu mir und fragte mich, ob ich ihm helfen könne, eine Couch, die er erworben hatte, in sein Wohnheimzimmer zu bringen. Ich stimmte natürlich zu, wies ihn aber darauf hin, dass ich um Punkt 13:00 Uhr in der Schauspielschule sein musste.
Samuel versicherte mir, dass ich pünktlich dort sein würde.

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