Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
Vom Netzwerk:
Art von Bewegung war. Deshalb schenkten sie mir zu meinem 20. Geburtstag am 28. September 2007 ein Paar sogenannte „Poweriser“. Das sind mechanische Stelzen, die mit kräftigen Federn ausgestattet sind. Sie werden an den Unterschenkeln festgeschnallt und vergrößern die Sprungkraft des Benutzers enorm.
    Im Katalog eines Anbieters liest sich das dann so: „Der Poweriser ist das ultimative Funsport-Gerät. Entwickelt in der Luft- und Raumfahrtindustrie, ist der Poweriser die Herausforderung für alle, bei denen Inlineskater, Skate- und Snowboards auf dem Dachboden ihr verstaubtes Dasein fristen. Die Gesamtkonstruktion besteht aus Aluminium und glasfaserverstärktem Kunststoff.“
    Der Katalogtext verspricht weiter: „Durch das Zusammenspiel der verwendeten Hi-Tech-Werkstoffe werden 2 Meter hohe Sprünge wie auch eine Schrittweite von bis zu 5 Metern zum Kinderspiel. Selbst beim gemütlichen Joggen mit dem Poweriser werden durch die enorme Schrittlänge Geschwindigkeiten erreicht, die selbst die eines 100-Meter-Sprinters übersteigen.“
    Die Aussicht, sozusagen ein mobiles Trampolin unter den Füßen zu haben, hörte sich vielversprechend an!
    â€žDieses Extremsportgerät erfüllt die Erwartungen jedes Besitzers in allen Hinsichten. Durch ihr futuristisches und einzigartiges Aussehen sind die Poweriser der Hingucker bei jedem öffentlichen Auftritt – von dem unvergleichlichen Funfaktor einmal ganz abgesehen.“ Am Schluss der Produktvorstellung wies ein dürrer Satz auf die möglichen Risiken des neuen Sportgerätes hin – allerdings sehr dezent: „Wie auch beim Skaten oder Inlineskaten wird empfohlen, persönliche Schutzausrüstung wie Helm, Knie- und Ellenbogenschoner zu tragen, um Sturzverletzungen vorzubeugen.“
Schmerzhaftes Lehrgeld
    Guter Tipp. Es gab nur einen Schönheitsfehler: Beim ersten „Ausritt“ mit meinem Geburtstagsgeschenk beherzigte ich ihn nur teilweise.
    Ich hockte mich auf die Stufen vor unserer Haustür und schnallte die Dinger sofort um. Gebrauchsanweisung lesen? Man sah den Teilen ja an, wie sie funktionieren. Was ich allerdings nicht wusste: Dies war nicht gerade die haltbarste Luxusausführung der Poweriser. Bei meinen ersten Gehversuchen auf dem Platz vor meinem Elternhaus brachen die Teile prompt auseinander. Der Knieriemen links riss, ich verlor den Halt und landete unsanft auf dem Boden.
    Insgesamt stürzte ich mit den Stelzen an diesem Tag drei Mal, schürfte mir die Hand auf. Ich fand es ganz schön enttäuschend, dass die teuren Teile schon beim ersten Test den Geist aufgaben.
    Mit meinem lädierten Geburtstagsgeschenk fuhr ich zum Fachhändler ins nahe Lörrach, um zu reklamieren. Im Gespräch stellte sich heraus, dass Marco Schuler der Hauptimporteur der Original-Poweriser für Europa war. Als er bemerkte, dass ich mich als Turner für die Stelzen und für das interessierte, was man damit anstellen konnte, wurde er hellhörig. Er überließ mir zwei Profi-Geräte als Testexemplare zum Sonderpreis.
    Mit denen lotete ich dann in den folgenden Wochen die Möglichkeiten der Stelzen aus. Diesmal war es nicht so schwierig, mit den Powerisern umzugehen. Beim zweiten Herumprobieren mit den besseren Stelzen gelangen mir die ersten Saltos.
    Marco Schuler interessierte sich für meine Trainingsfortschritte. Immer wieder half er mir, neue, verbesserte Geräte oder Einzelteile wie Sprungfedern aus Carbon auszuprobieren. Ich konnte auch Prototypen testen.
    Marco wurde ein Wegbegleiter bei meinen ersten Show-Auftritten auf den Stelzen. Er blieb es bis zum Auftritt bei „Wetten, dass..?“ Dort sollte er das fünfte Auto fahren, das ich überspringen wollte. Doch er kam nicht mehr zum Einsatz.
    Natürlich lag ihm daran, die Poweriser bekannt zu machen. Seine Freundin und er organisierten offene Trainings für den Umgang mit den Stelzen, vor allem in Lörrach. Sie waren es auch, die den Verein „Höher, weiter, schneller e.V.“ gründeten.
    Ich betrachtete die Stelzen zwar als ein nettes Spielzeug, aber mein Sport war und blieb das Geräteturnen. Niemals hätte ich für die Poweriser mein Turntraining vernachlässigt. Ich hielt mich bei meinen Turnkameraden bedeckt, was meine Ausflüge mit den Stelzen in die Showwelt anging, denn die Trainer waren schon wegen der Verletzungsgefahr nicht begeistert von solchen Aktionen.
    Marco

Weitere Kostenlose Bücher