Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
Vom Netzwerk:
meine Neugier stillen, wie Schauspieler sterben, ohne zu sterben.
    â€žSamuel hat dort noch einmal richtig gelernt, was er ohnehin schon gemacht hat“, sagt meine Mama.
    Was haben wir in dieser Stuntschule nicht alles gemacht: Prügelszenen echt aussehen lassen, Höhenstürze vollführen, Treppen runterfallen, sich gefahrlos, aber effektvoll selbst entzünden. Außerdem habe ich da gelernt, wie man sich gekonnt von einem Auto anfahren lässt.
    Da ich durch die Turnerei meinen Körper einigermaßen beherrscht habe, wurde ich direkt zu meinem ersten Fernsehauftritt in Hamburg eingeladen. Das Thema lautete: „Kinder, die etwas Besonderes machen“. Dabei durfte ich, wie wenige Tage zuvor gelernt, eine Treppe runterdonnern.
    Zurück in Düsseldorf mussten wir auch am Schauspielunterricht teilnehmen. Doch das, was wir da machen mussten, schien mir ziemlich merkwürdig. Wir sollten zu irgendeiner Schnulzenmusik – ich glaube, aus dem Film „Titanic“ – ein wildfremdes Mädchen anschauen, im Kreis laufen und Gefühle darstellen, die uns ein Regisseur zurief.
    Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest, dass ich niemals Schauspieler werden wollte. Als kleiner naiver Bengel fand ich es spannender, mich anzünden zu lassen, mich anständig zu prügeln oder von Dächern in Kartonberge zu springen.
Turnkrise
    Als ich 13 war, sagten verschiedene Trainer zu mir: „Jetzt ist die letzte Chance für ein Turn- oder Sportinternat!“
    Das war mir damals so nicht bewusst gewesen. Ich dachte, ich könnte erst einmal das Abitur machen und mich danach dem Turnen widmen. Ein Trugschluss: Denn laut den Erkenntnissen der Sportwissenschaft erreichen männliche Turner ihren Leistungszenit schon mit 21 Jahren.
    Unter Turnern wird häufig geflachst: „Wenn Turnen leicht wäre, würde es Fußball heißen“, oder: „Fußball spielen Turner nur zum Aufwärmen.“ Darin schwingt, ehrlich gesagt, auch ein bisschen Neid darüber mit, was die Anerkennung der unterschiedlichen Sportarten angeht. Als Turner sollte man kompromisslos jeden Tag trainieren, 20 oder 30 Stunden die Woche, wenn man es in die erste Bundesliga schaffen will. Und verdienen tut man in Deutschland trotzdem nichts. Im Gegensatz dazu kann man als Kicker in der Regionalliga schon gut von seinem Sport leben. Das Fazit lautet also: Beim Fußball kannst du mit 18 Millionär werden. Beim Turnen nie.
    Nach verschiedenen Verletzungen folgte ich den Vernunftargumenten meiner Eltern und beschränkte mich darauf, lediglich fünfmal die Woche 2 bis 3 Stunden zu trainieren. Damit schaffte ich es später gerade so in die zweite Bundesliga. Der angenehme Nebeneffekt war, dass ich dadurch mehr Zeit hatte. Es gab ja neben dem Turnen auch noch weitere Hobbys, die Schule, meinen Nebenjob, die Familie, den Kindergottesdienst, Freundin und Partys.
    Das alles erklärt, warum das Turnen in meiner Vorstellungswelt ab meinem 16. Lebensjahr leider kein ernsthafter Berufswunsch mehr war, sondern lediglich eine große Leidenschaft. Die ist es aber auch geblieben. Mich hat beim Turnen immer fasziniert, dass dabei die Gesetze der Schwerkraft scheinbar außer Kraft gesetzt werden. Dazu braucht man eine athletische Mischung aus Dynamik, Statik, Kraft und Koordination. Bei Wettkämpfen zeigen Turner an Geräten wie Barren oder Reck mittlerweile Übungen, bei denen der Sportler möglichst viel in der Luft unterwegs ist und sein Turngerät vornehmlich als Absprunghilfe für Flugteile nutzt. Es geht also beim Turnen auch um Grenzen und Grenzerfahrungen.
    Wenn man Grenzen nicht überschreitet, entwickelt man sich nicht weiter. Das gilt wahrscheinlich fürs Turnen ebenso wie für andere Lebensbereiche. Wer mit beiden Beinen auf dem Boden steht, kommt nicht voran. Wenn alle nichts anderes machen würden als nur Gesetze einhalten, dann wären wir heute weder als Individuen noch als Gesellschaft da, wo wir sind. Genau wie beim Turnen.
    Die andere Seite der Medaille war mir aber auch klar: Grenzen zu überschreiten heißt auch immer Risiken einzugehen. Das tat ich oft und das wurde mir zu Recht von manchen Freunden vorgehalten. Aber gerade beim Sport sind Spaß und Gefahr nun mal untrennbar miteinander verbunden, wie ich früh kapierte.
    Zum Beispiel, als ich mich mit drei Freunden dazu verabredet habe, nach Lörrach zu fahren und ein bisschen durch die Stadtlandschaft

Weitere Kostenlose Bücher