Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
Süden des Landes erreichen. Dorthin war er unterwegs. Und noch hatte er eine lange und gefährliche Reise vor sich.
Akiko hatte ihm geraten, die großen Straßen und Städte zu meiden, doch das war nicht immer möglich. Ohne Wegweiser und auf den meist schlechten Wegen kam er nur quälend langsam voran und lief jederzeit Gefahr, eine falsche Abzweigung zu nehmen. Außerdem musste er essen und seinen Proviant auffüllen. Deshalb hatte er die Raststation Shono am Tokaido aufgesucht.
Solche Raststationen für Reisende waren allerdings zugleich staatliche Kontrollpunkte. Und jetzt waren ihm die Samurai des Shoguns auf den Fersen und es bestand kaum noch Hoffnung, dass er Nagasaki erreichen würde. Er konnte nicht damit rechnen, ungeschoren durch den Süden Japans zu kommen.
Vielleicht hätte er doch warten und Sensei Yamada und Yori auf ihrer Pilgerreise zum Tendai-Tempel in Iga Ueno begleiten sollen. Zwar war der Weg dorthin beschwerlich und führte von seinem eigentlichen Ziel weg, doch hätte er den Schutz und den Rat seines Zen-Meisters gerade besonders dringend nötig gehabt. Vor seinem geistigen Auge sah er den Alten die Bergpfade entlangschwanken. Sensei Yamada schien nur aus grauem Bart und Falten zu bestehen, doch ein angreifender Straßenräuber hätte eine schmerzhafte Überraschung erlebt. Der Sensei war ein sohei , ein Soldatenmönch, und unter seinem hinfälligen Äußeren verbarg sich ein Krieger, der in todbringenden Kampfkünsten erfahren war. Mit seinen Weisheiten hatte der Zen-Meister Jack allerdings am meisten geholfen.
Nur wer aufgibt, scheitert, hatte er einmal gesag t – und damit Recht behalten.
Jack wusste, dass er nicht gleich bei der ersten Hürde aufgeben durfte. Schließlich hatte er während der letzten drei Jahre an der Niten Ichi Ryu gelernt, mit Schwierigkeiten fertig zu werden. Er hatte immer gewusst, dass er diese Reise eines Tages antreten musst e – und dass er sein Ziel mit einer Ausbildung als Samurai am ehesten erreichen würde.
Er schulterte sein Bündel und stand auf. Die Bäume um ihn herum wiegten sich knarrend und ächzend im Wind. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. Fremde waren im Iga-Gebirge nicht willkommen. Drachenauge hatte Akikos kleinen Bruder Kiyoshi entführt und wahrscheinlich hierhergebracht. Kiyoshi war nie mehr aufgetaucht.
Jack beschloss, die nächste Wegstrecke möglichst rasch hinter sich zu bringen. Es war erst früher Nachmittag und vielleicht konnte er noch vor Einbruch der Dunkelheit in einem Bogen zum Hauptweg zurückkehren.
Er nahm einen Schluck Wasser aus seiner Kalebasse und setzte seinen Weg durch den Wald fort. Nach einiger Zeit gelangte er auf eine Lichtung. Plötzlich drehte sich alles um ihn. Bäume wirbelten herum, der Himmel öffnete sich unter seinen Füßen und er schlug mit dem Kopf gegen einen Stein.
Bevor er wusste, wie ihm geschah, wurde ihm schwarz vor Augen.
4
König der Tengu
Jacks Kopf dröhnte und fühlte sich an, als wollte er platzen. Sein rechtes Bein schmerzte, als werde es auf einer Folterbank gestreckt, seine Arme waren schwer wie Blei.
Benommen öffnete er die Augen. Der Wald stand immer noch auf dem Kopf und schwankte Übelkeit erregend hin und her. Jack brauchte eine Weile, bis er begriff, dass er kopfüber an einem Baum hing. All seine Habseligkeiten, die Schwerter, die Tasche, die Kalebasse, lagen verstreut auf dem Boden unter ihm.
Er hob eine Hand an sein Gesicht und berührte vorsichtig die blutige Kruste an der Stelle, an der er mit dem Kopf gegen den Stein gestoßen war. Die Wunde war nicht groß, aber der Zusammenstoß war offenbar so heftig gewesen, dass er für einige Stunden das Bewusstsein verloren hatte. Im Wald war es dunkel geworden und die Sonne stand tief am Horizont.
Jack blickte nach oben. Sein Fuß hing in einer Schlinge und das zugehörige Seil führte zu einem Ast hoch über ihm hinauf. Er war in eine Falle gelaufen. Die bange Frage war nur: Wie kam er da wieder raus?
Sie schien für große Beutetiere gedacht zu sein, für einen Hirsc h … oder einen Menschen. Das würde bedeuten, dass Räuber sie aufgestellt hatte n – oder Ninja, eine Möglichkeit, an die Jack lieber nicht denken wollte. Jedenfalls durfte er nicht um Hilfe rufen. Er hätte die Räuber oder Ninja nur angelockt und dazu die Samurai, die ihn bestimmt noch suchten.
Er musste sich befreien, bevor der Fallensteller zurückkehrte. Verzweifelt streckte er die Hand nach seinem Langschwert aus und schwang an dem Seil
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