Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
dumpfen Schlag in einen Baumstamm.
Er drehte sich nicht mehr um. Stattdessen rannte er noch schneller. Sein Herz hämmerte und seine Lunge brannte. Der Weg wand sich durch den Wald, wurde schmaler und führte aufwärts in die Berge, die die berüchtigte Provinz Iga säumten. Die Samurai holten weiter auf.
Jack rannte durch ein Bambusdickicht. Er zog sein Schwert und schlug damit im Laufen auf die hohen Stängel rechts und links ein. In Kaskaden fielen sie hinter ihm über den Weg und versperrten ihn. Die Samurai mussten anhalten und sich den Weg frei hauen. Dadurch gewann er ein wenig Zeit. Doch seine Verfolger würden ihn einholen, wenn er auf dem Hauptweg blieb. An einer Kreuzung entschied er sich deshalb für den kleinsten, am wenigsten ausgetretenen Pfad. Auf ihm gelangte er tiefer in den Wald. Das dichte Laub der Bäume verdeckte den Himmel und es wurde immer dunkler.
Jack ging langsamer und lauschte. Die Rufe der Samurai waren nur noch von ferne zu hören und wurden leiser. Er war ihnen entkommen, zumindest vorerst.
Er setzte sein Bündel ab, um zu verschnaufen. Neben dem Pfeil hing das kleine, rotseidene Säckchen, das sein Zen-Meister Sensei Yamada ihm geschenkt hatte. Es enthielt ein buddhistisches Amulett, das seinen Besitzer schützen sollte: ein wirksamer Schutz, wie Jack jetzt wusste. Er packte die Tasche aus und stellte fest, dass der Portolan seines Vaters ihn gerettet hatte. Die Pfeilspitze war in dem Ledereinband des Deckels stecken geblieben. Jack musste lachen. Er hatte den Portolan mit seinem Leben verteidigt und nun hatte sich das Buch revanchiert.
Mit einem solchen Portolan konnte man die Weltmeere sicher befahren. Das Logbuch seines Vaters war aufgrund der genauen Angaben besonders begehrt. Doch es war noch viel mehr als ein Hilfsmittel zur Navigation. Das Land, in dessen Besitz es gelangte, würde die Handelswege zwischen den Ländern und damit die Meere kontrollieren. Sein Vater hatte ihm eingeschärft, das Buch ja nie in falsche Hände geraten zu lassen. Einmal war es trotzdem passiert. Jacks Erzfeind, der einäugige Ninja Drachenauge, hatte den Portolan im Auftrag eines portugiesischen Jesuiten namens Pater Bobadillo gestohlen. Doch mithilfe von Akiko und Masamotos Sohn Yamato hatte Jack ihn wiederbeschaffen können; Yamato hatte dafür mit seinem Leben bezahlt. Drachenauge und Pater Bobadillo waren inzwischen ebenfalls tot und nur noch wenige Menschen in Japan wussten von der Existenz des Logbuchs. Einer davon war leider der Shogun.
Vorsichtig zog Jack den Pfeil heraus. Zu seiner Erleichterung waren nur die ersten Seiten beschädigt. Mit dem Portolan konnte er nach Hause zurückkehren, Steuermann werden wie sein Vater und für seine Schwester Jess sorgen. Außerdem war das Buch die letzte Erinnerung an seinen Vater. Jack spürte auch nach drei Jahren noch eine schreckliche Leere in seinem Herzen, wenn er an ihn dachte. Sein Kummer war mit dem Tod Drachenauges, der seinen Vater ermordet hatte, nicht verschwunden, doch der Portolan linderte die Trauer zumindest ein wenig. Immerhin lebte sein Vater in den vielen handgezeichneten Karten, persönlichen Aufzeichnungen und chiffrierten Botschaften weiter.
Jack wickelte das kostbare Logbuch wieder in das schützende Öltuch und verstaute es ganz unten in der Tasche, zusammen mit einem braunen Ersatzkimono, einer Schnur Kupfermünzen und zwei leeren Reisbehältern, die Akikos Mutter ihm mitgegeben hatte. Auch den frischen Reis, den das Mädchen ihm geschenkt hatte, legte er dazu. Anschließend überprüfte er seinen Inro, den an seiner Hüfte hängenden kleinen Holzbehälter. Der Inro enthielt einen aus Papier gefalteten Kranich, einen Glücksbringer seines Freundes Yori, sowie eine seltene schwarze Perle, ein Geschenk Akikos, das Jack besonders viel bedeutete.
Jack vermisste seine Freunde. Täglich fragte er sich aufs Neue, ob die Entscheidung, sie und vor allem Akiko zu verlassen, richtig gewesen war.
Der Abschied von Akiko war ihm am schwersten gefallen. Seit seiner Ankunft in Japan war sie ein wichtiger Teil seines Lebens gewesen und er fühlte sich verloren ohne sie. Doch er hatte keine andere Wahl, er musste gehen. Seine Schwester in England brauchte ihn und außerdem galt es in Daimyo Kamakuras neuem Japan als Verbrechen, einen Ausländer bei sich aufzunehmen. Wenn Jack in Toba geblieben wäre, hätte er gewiss das Leben seiner Freunde gefährdet.
Er selbst musste zu seiner Sicherheit unbedingt die Hafenstadt Nagasaki tief im
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