Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
hin und her, doch vergeblich. Sein Arm war um wenige Zentimeter zu kurz.
Er versuchte sich aufzurichten und das Seil an seinem Knöchel zu packen. Doch er hing schon so lange mit dem Kopf nach unten, dass seine Glieder gefühllos geworden waren. Mit letzter Anstrengung bekam er den Knoten zu fassen. Er warf nur einen kurzen Blick darauf und fluchte. Als Seemann erkannte er Knoten, die sich von selbst zusammenzogen, sofort. Diesen Knoten bekam er unmöglich auf, solange er mit seinem ganzen Körpergewicht daran hing. Also musste er das Seil hinaufklettern.
Er wollte sich gerade mühsam aufrichten, da hörte er ein Rascheln in den Büschen. Er erstarrte und lauschte angestrengt.
Ein Eichhörnchen rannte aus dem Unterholz und einen benachbarten Baum hinauf. Jack seufzte erleichtert und setzte seinen Befreiungsversuch fort. Da hörte er wieder ein Rascheln, diesmal in der Nähe. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Da kam jemand. Im Dämmerlicht betrat ein kleiner Junge die Lichtung. Jack schätzte ihn auf etwa zehn Jahre, genauso alt wie seine Schwester. Er trug einen einfachen, erdbraunen Kimono und hatte die schwarzen Haare zu einem Knoten zusammengebunden. Einen Augenblick lang starrten sie einander an. Die Augen des Jungen, die schwarz waren wie Akikos Perle, zeigten keine Furcht. Jack entspannte sich ein wenig. Mithilfe des Jungen konnte er fliehen, bevor der Fallensteller auftauchte. Er begrüßte ihn mit seinem freundlichsten Lächeln.
Der Junge erwiderte das Lächeln und stieß begeistert die Fäuste in die Luft.
»Sie funktioniert!«, rief er.
»Was funktioniert?«, fragte Jack.
»Meine Falle!«
»Du hast sie gebaut?«
Der Junge nickte stolz. Er näherte sich seinem baumelnden Gefangenen, legte den Kopf schräg und betrachtete ihn aufmerksam.
»Du siehst komisch aus. Dein Gesicht ist ganz rot.«
»Das wäre deins auch, wenn du stundenlang mit dem Kopf nach unten gehangen hättest«, erwiderte Jack gereizt.
»Und deine Haare sind ganz weiß geworden. Merkwürdig.«
»Sie sind nicht weiß, sondern blond.«
»Und deine Nase ist riesig! Bist du ein tengu?«
»Nein, bin ich nicht.« Jacks Nase war für einen Europäer nicht besonders groß, für einen Japaner dagegen schon. »Binde mich los!«
Der Junge schüttelte grinsend den Kopf. »Lieber nicht. Tengu sind gefährlich. Sie legen die Menschen herein.«
»Ich will dich nicht hereinlegen. Ich weiß nicht einmal, was ein Tengu ist.«
Der Junge lachte. »Natürlich nicht. Kein Dämonenvogel würde zugeben, dass er einer ist.«
Er hob einen Stock vom Boden auf und stieß Jack vorsichtig damit an. »Du siehst vielleicht wie ein Mensch aus, aber deine Schnabelnase verrät dich.«
Der Junge inspizierte Jacks Habseligkeiten. »Wo ist denn dein Zauberfächer?«
»Ich habe keinen Fächer.« Jack war mit seiner Geduld allmählich am Ende.
»Doch, ganz bestimmt. Alle Tengu haben einen. Damit vergrößert und verkleinert ihr doch die Nasen der Menschen.«
Der Junge legte die Tasche weg und sein Blick fiel auf die beiden glänzenden Schwerter.
»Oh! Gehören die dir?«
»Ja.«
»Wie viele Samurai hast du damit getötet?«, fragte der Junge eifrig. Er hob das Kurzschwert auf und schwang es ein paar Mal durch die Luft.
Jack musterte den Jungen so drohend, wie er nur konnte. »Sagen wir es so: Du bist der Nächste, wenn du mich nicht augenblicklich losbindest.«
Der Junge starrte ihn mit offenem Mund an und steckte das Schwert eingeschüchtert wieder in die Scheide. »Ich weiß, wer du bist«, sagte er ehrfürchtig.
Endlich, dachte Jack. Jetzt kommen wir weiter. Offenbar hat er gehört, dass ein Ausländer gesucht wird, der ein Samurai ist.
»Du bist Sojobo, der König der Tengu. Du hast den großen Krieger Minamoto in der Kunst des Schwertkampfs unterrichtet und ihm auch das Zaubern beigebracht. Du hast ihm geholfen, seine Feinde zu besiegen und den Mord an seinem Vater zu rächen. Mein Großvater sagt, du seist so stark wie tausend Tengu zusammen! Ich kann nicht glauben, dass ich dich gefangen habe.«
»Ich bin nich t …«, setzte Jack an, doch dann hatte er eine Idee. »Na gut, du hast Recht, ich bin Sojobo.«
»Ich wusste es!« Der Junge stieß wieder die Fäuste in die Luft.
»Wenn du schon so schlau bist, sollten wir Freunde sein«, fuhr Jack lächelnd fort. »Wie heißt du?«
»Hanzo.« Der Junge verbeugte sich tief.
»Hör zu, Hanzo, wenn du mich losbindest, zeige ich dir, wie man mit dem Schwert kämpft. So wie Minamoto.«
Der Junge sah
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