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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Rest haben?“ Ich hielt ihm den Teller hin. Plötzlich
war ich satt, ein Gefühl, als hätte ich schweren Zement im Magen. „Es war nicht
vergiftet.“
    Klops schluckte den letzten Happen Ei runter, als würde er zum ersten
Mal in seinem Leben gebratenes Ei essen.
    „Hmmm!“
    „Und was passiert jetzt?“, sagte Lennart. „Wie
meinst du das?“ Ich streckte mein Bein aus, das vom Balancieren des Tellers
ganz verkrampft war. „Herrscht jetzt Frieden?“, sagte Lennart. „Ich hoffe
nicht“, sagte Micke.
    „Es hat sich nichts verändert“, sagte ich. „Wir haben nur eine Runde
gewonnen.“
    „Vielleicht schicken sie dich trotzdem weg?“
    „Das macht ihnen zu viel Arbeit“, sagte ich. „Die sind zu faul, um all
das zu organisieren, was dafür nötig ist.“ Ich zeigte auf den Teller, den Klops
gerade ableckte. „Das war einfacher.“
    „Was also passiert das nächste Mal, wenn wir uns weigern zu essen?“
    „Wir?“ Ich schwang die Beine über die Bettkante und stellte mich hin.
„Gibt's hier noch jemanden außer mir, der das Essen verweigert hat?“
    „Das nächste Mal, wenn sich jemand weigert“, sagte Micke. „Du oder
ein anderer von uns.“
    „Dann gibt's Schinken und Eier!“, sagte Klops.
    „Da bin ich nicht so sicher“, sagte ich.
    Die Betreuerin schaute mich lange an, als sie mir den Teller mit der
Grütze zum Frühstück hinstellte. Es war eine frisch gekochte Portion. Ich hatte
keinen Hunger, aber ich aß es auf. Es war der falsche Augenblick, sich wieder
zu weigern. Die Alte ließ sich nicht blicken, aber ich wusste, dass sie in den
Kulissen wartete. Vielleicht plante sie den nächsten Schritt. Genau wie ich.
    Nach dem Frühstück versammelte sich die Truppe.
    „Geht schon voraus“, sagte ich.
    „Warum?“, fragte Klops.
    „Micke, du übernimmst das Kommando“, sagte ich ohne zu antworten.
    Die Truppe war gerade im Wald verschwunden, als Ann
und Kerstin auftauchten. „Jetzt willst du es wohl nicht mehr wissen“, sagte Ann.
Ich verstand, was sie meinte. „Doch“, sagte ich. „Du hast es ja auch so
geschafft.“
    „Ich möchte wissen, was du gesagt hast, Ann.“ Sie
sah Kerstin an. Kerstin lächelte.
    „Es kommt drauf an, die Augen offen zu halten“,
fuhr Ann fort. „Besonders nachts.“
    „Ja?“
    „Vor einigen Wochen hab ich nachts draußen Geräusche gehört. Es war
fast Morgen und ich war schon wach. Ich ging zum Fenster.“ Ann zeigte über den
Hof. „Von dort kann man die Baracke der Betreuerinnen sehen.“
    „Ich weiß“, sagte ich.
    „Aber du weißt nicht, was ich gesehen habe!“
    „Nein.“
    „Ich hab gesehen, wie eine Betreuerin vor der Tür zur Baracke mit
einem Mann knutschte.“
    Ich sagte nichts. Ich verstand. Wenn die Alte davon Wind bekam, würde
die Betreuerin sofort fliegen.
    „Was haben sie dann gemacht?“, fragte ich.
    „Er ist weggegangen.“
    „Aha.“
    „Es war fast Morgen, wie gesagt.“
    „Und daran hast du sie erinnert?“
    „Ja, aber ich hab nichts gesagt. Nicht nur ich hab sie in der Nacht
gesehen, sie hat mich auch gesehen. Sie hat raufgeschaut und mich am Fenster entdeckt.“
    Ann guckte Kerstin an.
    „Ich brauchte also überhaupt nichts zu sagen, als
ich mit dem Teller zu ihr ging.“ Mir schien wieder, dass Kerstin lächelte. „Ich
hab nicht geglaubt, dass du wieder essen würdest.“ Sie hatte mich die Grütze
essen sehen. „Findest du, ich hab aufgegeben?“
    „Nein, nein.“
    „Man stirbt ja, wenn man nichts isst“, sagte Ann.
    „Oder man wird weggeschickt“, sagte Kerstin.
    „Ich hab noch mehr bekommen“, sagte ich und erzählte ihnen von meinem
Sonntagsfrühstück mitten in der Nacht.
    „Du hättest es ablehnen können“, sagte Kerstin.
    „Findest du, ich hätte das tun sollen?“
    „Nein“, sagte sie nach kurzem Nachdenken. „Dann hätten sie dich
wirklich nach Hause geschickt.“
    „Was hätte das für eine Rolle gespielt?“, sagte ich ohne sie
anzusehen.
    „Dann hätte uns ja niemand das Schloss zeigen können“, antwortete sie.
    „Kriegt man dieses Schloss denn nun endlich mal zu sehen?“, fragte
Ann. „Oder hast du dir das bloß ausgedacht?“
    „Du hast es den anderen noch nicht erzählt, oder?“ Kerstin schaute
mich an. „Du traust dich nicht, oder?“
    „Bist du nicht der Anführer?“, sagte Ann. „Bestimmst du nicht alles?“
    „Das versteht ihr nicht.“
    „Was?“ Ann lächelte. „Japanisch?“
    Kerstin lächelte nicht. Sie verstand, dass man
darüber keine Witze machen konnte.

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