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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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und
wieder wurde jemand von einer Samuraifamilie adoptiert - wenn sich der
Adoptierte einer solchen Ehre als würdig erwies.
    Das war in Japan. Aber hier war Schweden. Genauer gesagt Smäland. Es
lag im südlichen Teil Schwedens, genau wie Kyushu im südlichen Teil Japans lag.
Vor langer Zeit war Smäland wie ein eigenes Königreich gewesen. Hier gab es
viele Wälder und Berge, die es anderen Kriegsherren erschwerten, das Land zu
überfallen und zu plündern. So war es auch in Japan. Die meisten Inseln waren
bergig und bewaldet, und es war schwer, von der einen in die andere Gegend zu
reisen. Japan konnte man nicht wie ein einziges Land regieren. Jeder
Landesteil, vor allem die vier größten Inseln, hatte seinen eigenen
Kriegsherrn.
    Ich glaubte nicht daran, dass ich in Japan adoptiert werden würde.
Aber ich konnte wie ein Samurai in Smäland leben, alles lernen, was Samurai
konnten. Nicht nur in diesem Sommer. Immer.
    Ich war mit Kerstin im Kreis gegangen. Jetzt kamen wir zurück zum
Camp. Wir waren nicht besonders lange fort gewesen. Es hätte ruhig noch ein
bisschen länger dauern dürfen.
    „Du musst zurück zu deiner Truppe“, sagte sie. „Irgendwann traust du
dich vielleicht, mich mit zu deinem Schloss zu nehmen.“
    „Ich geh zurück, wenn ich will“, sagte ich.
    „Um zu zeigen, dass du bestimmst, was?“
    Sie lächelte wieder. Fast lächelte ich zurück.
    Wir standen vor dem Tor. Eine Betreuerin kam aus dem Haupthaus direkt
auf uns zu.
    „Die Heimleiterin will mit dir sprechen, Tommy.“
    „Schon wieder?“, sagte Kerstin.
    Die Betreuerin antwortete nicht. Sie schaute Kerstin nur von oben
herab an.
    „Du kommst mit“, sagte sie und versuchte meine Hand zu nehmen. Aber
ich entzog sie ihr und legte sie auf mein Schwert.
    Wir gingen über den Spielplatz. Die kleinen Kinder lärmten auf den
Schaukeln und Karussells. Eins hatte sich wehgetan und schrie wie am Spieß zum
blauen Himmel hinauf. Dort waren auch heute keine Wolken. Ich hatte schon lange
keinen Wetterbericht mehr gehört, aber den brauchte man in diesem Sommer auch
nicht. Es war wie in einem anderen, weit entfernten Land, wo immer die Sonne
schien.
    Die Betreuerin schloss die Tür hinter sich, als sie ging. Die Alte
hatte das Rollo in ihrem Zimmer heruntergezogen, es war schummrig, aber man
konnte genug sehen. Zum Beispiel sah man sie selbst hinter ihrem Schreibtisch
sitzen. Sie war eingerahmt von den Rollos hinter ihr. Wie ein Gemälde.
    „Dann sind wir uns also einig, Tommy?“, sagte sie.
    „Kenny“, antwortete ich. „Ich heiße Kenny.“
    „Hat das Essen heute Nacht gut geschmeckt?“, fragte sie und erhob
sich.
    Ich nickte.
    „Du solltest dankbar sein, Tomm... Kenny“, sagte sie und kam um den
Schreibtisch herum. „Wir hätten dich wegschicken können.“
    Ich nickte wieder. Das hatte ich schon mal gehört.
    „Wenn du nett zu mir bist, bin ich auch nett zu dir“, sagte sie und
stellte sich vor mich hin. „Wir brauchen uns nicht zu streiten, Kenny.“
    Sie stand nur zehn Zentimeter von mir entfernt. Im Zimmer schien es
pechschwarz zu werden. Ich bekam plötzlich Angst, große Angst, mehr, als ich
jemals gehabt hatte. Es war, als könnte in diesem Zimmer alles passieren.
    „Wir kennen einander ja“, sagte sie und legte eine Hand auf meine
Schulter. „Du bist jetzt ein großer Junge, Kenny. Du könntest mir im Camp
helfen.“
    „W... wie denn?“, fragte ich.
    „Du könntest als gutes Beispiel vorangehen. Die anderen Kinder
anleiten, ihnen zeigen, wie man sich benimmt.“ Genau das tu ich doch, dachte
ich.
    Ich versuchte die Angst wegzudenken, sie runterzuschlucken. Ich
versuchte vor mir selber stark zu sein. Die Alte kam noch näher.
    „Wir müssen zusammenarbeiten“, fuhr sie fort. „Sonst gibt es das
reinste Chaos.“ Ihre Hand lag immer noch auf meiner Schulter. Sie fühlte sich
an wie ein Schmiedehammer. „Und das wollen wir doch nicht, oder? Chaos?“
    Doch, dachte ich. Genau das wollen wir.
    Plötzlich zog sie die Hand weg und richtete sich auf.
    „Ich hab übrigens etwas, was vermutlich dir gehört.“
    Sie drehte sich um und nahm eine braune Papiertüte vom Schreibtisch,
öffnete sie und holte meine Schokoladenbonbons heraus.
     
    8
     
    Die Schokoladenbonbons lagen auf dem Tisch zwischen mir und der Alten.
Die Tüte war durchsichtig und schien nicht geöffnet worden zu sein, aber sicher
war ich nicht. Ich sah die Schokoladenstückchen in buntem Papier. Mir lief das
Wasser im Mund zusammen, aber das wollte ich

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