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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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bedeuten soll?“
    Sancha schüttelte den Kopf, doch als sie den Bruder zum Abschied umarmte, bemerkte sie, wie ein heimliches Lächeln über sein schönes Gesicht flog. Offenbar war die Unpässlichkeit vorüber.
    „Was amüsiert dich so, Bruder?“
    „Mir kommt gerade ein faszinierender Gedanke“, antwortete der König fröhlich. „Dieser Novize könnte auch mir dienlich sein. Sollte der Troubadour ihn ausfindig machen, so lass den Knaben zuerst zu mir bringen, Sancha, damit ich ihn gründlich befragen kann.“
    Sancha sah ihren Bruder erstaunt an. „Du auch?“
    „Geh jetzt, geh!“, sagte Pedro. „Ich bin zwar ein armer Hund, wenn es nach meinem Kämmerer geht, aber ich bin durchaus zum König geboren!“

ZWEITER TEIL

    „Nur immer frecher Schlag auf Schlag,
    nur immer schlechter, Tag für Tag,
    das hatt` die Welt noch stets im Sinn;
    so war sie und so fährt sie hin.“

    Freidanks Bescheidenheit, 32, 19

1.

    Miraval beugte sich zu seinem Rappen hinunter, um ihn zu streicheln, dabei summte er leise vor sich hin. Eine hübsche Melodie war ihm da unterwegs durch den Kopf gegangen. Meisterlich. Fehlte nur noch die Dichtung. Wie wäre es damit:

    Sag, was begehrst du, junger Mann,
    willst, was es nicht geben kann ...

    Willst, was es nicht geben kann? Tja ... abgesehen davon, dass er längst kein junger Mann mehr war, trafen diese Verse auch auf seine Existenz zu: Ein Lebensglück mit Sancha würde es nie geben. Aber er wollte nicht klagen, es gab viele Quellen des Glücks und immerhin verdankte er es ihr, dass er sich derzeit wieder jung fühlte - körperlich und in seinem Herzen.
    Miraval summte und dichtete weiter:

    Bin zur Liebe schon bekehrt,
    innerlich von Glut verzehrt ...

    Innerlich von Glut verzehrt? Bestens! Sancha spornte seinen Geist an. In Toulouse, kurz vor dem Aufbruch nach Aragón, als er ihr das vertonte Gedicht für ihren Bruder vortrug – ein Gastgeschenk – hatte sie lächelnd gemeint, er sei wohl der größte Sänger aller Zeiten.
    „Nun, ich betrachte dieses Lied selbst als gelungen“, hatte er eitel angemerkt, worauf Sancha - den schmalen Mund zum Spott verzogen - erwiderte, dass man an vier Dingen für gewöhnlich vier andere erkennen könne: Das Wetter am Wind, den Herrn am Gesind`, den Esel an den Ohren - und an den Worten den Toren.
    An den Worten den Toren ... Miraval lachte in sich hinein. Helás , er vermisste ihr loses Mundwerk bereits jetzt, kaum dass er einen halben Tagesritt von ihr entfernt war.
    Er gab seinem Ross die Sporen, um aufzuholen. Der Tag würde hart werden, denn die Templer ritten mit ihm eigenartigerweise durch eine unwegsame Wildnis. Weit und breit kein Baum, der Schatten spendete, keine Burg, kein Kloster, auch keine Herberge in Sicht, wo man hätte rasten können. Unerbittlich waren sie der Sonne ausgesetzt. Hielten sie sich gezielt abseits der Pilgerstraßen, weil einer unter ihnen war, der zwar den weißen Mantel trug, aber nicht dazugehörte?
    Miraval klopfte auf seine Brusttasche. Das Pergament war noch da - aber es brannte ihm förmlich unter den Nägeln. „Händigt diese Nachricht bitte meinem Gemahl aus“, hatte ihm Leonora beim Abschied kühl aufgetragen. Um das gesuchte „Tor“ konnte es sich nicht handeln, diese Geheimsache war mündlich zu übermitteln. Was also stand in dem Brief? Etwas, das ihn und Sancha bloßstellte? Würde sie das ihrer Schwester antun?
    Als die Sonne am höchsten stand, rasteten sie am Eingang einer wilden Schlucht. Sie führten die Pferde zu einem dünnen Rinnsal, das eher wie Tränen aus dem Fels tropfte, statt rann, und verteilten die karge Verpflegung, die sie in den Satteltaschen mit sich führten. Hoch oben am Himmel drehten Geier ihre Runden.
    Die Ritter hielten sich abseits, beachteten Miraval kaum. Nur Bruder Gilon, Nase und Kinn wie zwei aufeinander einhackende Schnäbel, strich um ihn herum. Er sollte wohl achtgeben, dass er, Miraval, nicht verloren ging, mitsamt der teuren Ausrüstung, die er trug.
    Doch was tat es schon … Miraval lachte inwendig auf, setzte sich in den Halbschatten einer dürftigen Pinie, kaute auf hartem Brot herum und dichtete weiter, bis der Anführer des Trosses auf eine entfernte Hügelkette deutete, über der sich dunkle Wolken zusammenballten.
    Sie brachen auf.
    Die Hitze war bald so unerträglich wie das Geschrei der Zikaden. Die Felsen rechts und links des geröllreichen Flussbettes, durch das sie zogen, hoben sich schneeweiß vom eifersüchtigen Ockerbraun des Himmels ab.

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