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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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auf sie. Eine Geste, welche die Beiläufigkeit Lügen strafte. »Wie redet Ihr mit mir? Was wollt Ihr mir da unterstellen, Abbé?«
    »Ich unterstelle Euch gar nichts, mon Seigneur. Ich wundere mich nur, dass Dutzende von Menschen das Offensichtliche nicht erkennen wollen.« Er zeigte auf die Notizen. »Darin steht alles. Die Bestie lebt, und die Menschen müssen gewarnt werden.«
    »Eure Zweifel werden sich legen, wenn Ihr seht, dass es keine weiteren Opfer mehr gibt«, schwächte der Marquis ab und ignorierte die geöffnete Hand des Abbés, der sein Eigentum stumm zurückerbat. »Bis dahin konfisziere ich im Namen des Königs diese Unterlagen, um die Bevölkerung vor Euren Theorien zu bewahren, die nur neue und sinnlose Unruhe ins Gevaudan tragen.«
    »Mon Seigneur, das …«
    »… ist meine Pflicht, geschätzter Abbé«, fiel ihm Morangiès in die Rede. »Ich kann nicht zulassen, dass die Männer und Frauen schon wieder in Furcht leben.« Sein rechter kleiner Finger tippte zweimal auf den Stapel. »Und bedenkt, was Ihr mit Euren Mutmaßungen in Versailles anrichtet. Ihr würdet den König der Lüge bezichtigen, und welche Auswirkungen das für Euch haben wird, werdet Ihr Euch selbst ausmalen können.« Er zog an der Klingelschnur, die neben ihm hing. Gleich darauf erschien ein Bediensteter und nahm die Papiere in Empfang. »Ich schütze Euch damit, Abbé. Ihr müsstet mir dankbar sein.«
    Die Worte saßen. Acot sank zusammen und starrte auf seine Notizen, die unerreichbar für ihn geworden waren. Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Ausgerechnet jetzt wurde kein Wein und damit kein neuerlicher Mut mehr nachgeschenkt.
    »Mon Seigneur, Monsieur Jean Chastel erbittet Euer Gehör«, sagte der Livrierte – leise zwar, aber doch so, dass es der Abbé ebenfalls hörte.
    »Schick ihn weg.«
    »Er sagte, es sei sehr dringend und dass es um Euren Sohn ginge«, beharrte der Bedienstete. »Und um seinen Sohn Antoine.«
    Acot stutzte. Dass der Marquis den Helden des Gevaudan nicht empfangen wollte, hatte sicherlich etwas zu bedeuten. Auch der Name des jüngeren Sohnes, Antoine, war ihm mehr als einmal bei seinen Nachforschungen begegnet. Still pries er den Herrn für die Vorsehung und wartete gespannt, was geschah.
    Und tatsächlich – der Comte änderte seine Meinung. »Bring ihn herein. Abbé Acot wollte uns eben verlassen.« Morangiès nickte ihm zu, die graugrünen Augen blickten hart. »Einen angenehmen Tag wünsche ich Euch. Denkt an unsere Abmachung und hütet Eure Zunge davor, von Dingen zu berichten, die so nicht stimmen. Ihr würdet es bereuen.«
    Acot stand auf und verneigte sich. Er musste sich beherrschen, um sich nicht durch weitere unbedachte Worte unwiderruflich in Misskredit zu bringen. Er dachte keinesfalls daran, mit seinen Nachfragen aufzuhören, aber das wiederum sollte den Marquis nichts angehen.
    In der Halle begegnete er Chastel, einem kräftigen Jäger im besten Mannesalter mit langen, weißen Haaren und einem markanten Antlitz. Seine einfache Kleidung hatte gelitten, war angesengt und zerrissen, als sei er durch brennende Dornenbüsche gesprungen. In der Linken hielt er seinen Dreispitz, in der Rechten die doppelläufige Muskete, mit der er die angebliche Bestie vor den Augen des Marquis erlegt hatte.
    Acot ging ohne zu zögern auf Chastel zu. »Ich bin Abbé Acot, Monsieur Chastel«, stellte er sich vor. »Ich suchte nach Euch, doch bisher haben sich unsere Wege noch nicht gekreuzt. Helft mir, die Wahrheit zu sehen.« Er trat einen weiteren Schritt an den Mann heran, stand nun direkt neben ihm und neigte den Kopf nach vorn. »Sagt, habt Ihr die wahre Bestie erlegt oder seid Ihr ein Rädchen in diesem verwirrenden Spiel um Wahrheit und Lüge, das weitere Menschenkinder das Leben kosten wird?« Er sprach leise, damit ihn der livrierte Diener nicht verstehen konnte, doch mit großem Nachdruck. »Bei der Liebe Gottes, sprecht die Wahrheit!«
    Chastel sah ihn mit merkwürdig verschleiertem Blick an. »Die Liebe Gottes? Ich fürchte, ich habe bislang nur seinen Hass kennen gelernt.« Mit diesen Worten ging er an ihm vorbei und folgte dem Livrierten die Treppen hinauf zum Salon.

    Jean Chastel ging nicht zum ersten Mal durch das Schloss, vorbei an getäfelten Wänden und den Porträts der Ahnen, an Landschaftsgemälden, edlem Porzellan und anderem wunderbar zur Schau gestelltem Reichtum. Doch diesmal würdigte er all die Pracht ebenso wenig wie die Andenken aus den Zeiten, als der Marquis noch

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