Sanctum
Bestie vernichtet ist, bleibt immer noch genug zu tun für Ihre Schwesternschaft«, sagte er zum Schluss. »Wussten Sie davon, dass es Wer-Menschen gibt?«
»Es gibt Hinweise, aber bislang keinen Fall, der die Theorie bestätigt«, räumte sie ein.
»Sie erinnern sich an Severina?«
»Nur zu gut.« Faustitias Gesicht verdunkelte sich. »Eine Gruppe von Seraphim-Novizinnen fand die Frau, deren Beschreibung Sie uns gegeben hatten. Nachdem sie Meldung gemacht hatten, brach der Funkkontakt ab. Ich schickte ein zweites Kommando … und man fand nur noch die Leichen unserer Schwestern. Sie waren schrecklich zugerichtet. Einige Wunden dienten nur dazu, Schmerzen zu bereiten, ehe sie der Tod ereilte. Wie es einem einzelnen Werwesen gelungen ist, sechs junge Seraphim zu töten, die kurz davor standen, ihre Prüfung abzulegen, ist uns allen ein Rätsel. Eine von ihnen lebte noch, als wir sie fanden. Sie sprach von einer menschengroßen katzenähnlichen Kreatur, die sich schneller bewegte, als es die Natur erlaubt.«
»Severina hat mit den Novizinnen ihr grausames Spiel gespielt. Ich vermute, dass sie unter der Folter einige Geheimnisse verraten haben, mit denen Severina mich in die Irre führen konnte.«
»Und ist sie …«
»Sie ist keine Gefahr mehr. Betrachten Sie es als … als mein Abschiedsgeschenk, dass ich sie für Sie zur Strecke gebracht habe.«
»Vielen Dank, Herr von Kastell. Sie haben unserer Organisation und den Menschen sehr geholfen.« Faustitia sagte es aufrichtig. »Es ist ein beinahe gutes Ende für alle.«
Eric verstand die Andeutung. Seine Halbschwester hatte diesen Konflikt nicht überlebt. Es überraschte ihn selbst, dass er einen Moment lang so etwas wie Trauer empfand. Er räusperte sich und sprach weiter. »Dass die Schwesternschaft ihren Auftrag weiterverfolgt, ist mir klar, aber was werden die Verschwörer unternehmen, die auf Zanettinis Seite standen?«
»Es gibt keine weiteren Verschwörer, jedenfalls keine, über die wir uns Gedanken machen müssten. Wir wissen, dass Rotonda und Zanettini der harte Kern waren und dass der Kreis aus Mitläufern und Sympathisanten um sie herum bereits zerfällt. Wir können uns nun ganz den Wandelwesen, den Lycaoniten und dem Orden des Lycáon widmen.« Sie lächelte ihn an. »Denn Sie werden es nicht mehr tun wollen, nehme ich an.«
»Nein«, sagte er sofort, schaute zu Lena und nahm ihre Hand. »Ich habe genug.« Er gähnte, spürte die Müdigkeit. Sein immer noch erschöpfter Körper wollte wieder in einen Fiebertraum sinken.
Faustitia betrachtete ihn nachdenklich, die Augen blieben kurz am rechten Unterarm hängen. »Das … ist im Grunde sehr schade, Herr von Kastell. Ein Mann mit Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung könnte meine Seraphim sehr gut ausbilden.«
Seine Lider senkten sich, aber schnell riss er sie wieder in die Höhe. »Ich sage es Ihnen, wenn ich einen Job brauche«, meinte er müde. »Wir werden ins Ausland verschwinden und warten, bis sich der Wirbel gelegt hat und mein Name weniger interessant für die Behörden wird.«
»Kanada soll um diese Jahreszeit kalt, aber sehr schön sein«, schaltete sich Lena ein. »Wir können aufbrechen, sobald du dich vom Fieber erholt hast.«
Eric streichelte ihre Wange, dann betrachtete er seine Hand. »Hast du etwas aus Silber?«
Lena verstand, was er meinte, und lächelte. »Nein, keine Sorge. Du bist geheilt.«
»Ich brauche Gewissheit«, verlangte er.
Faustitia stand auf und trat neben ihn, zog ihren silbernen Siegelring vom Finger, mit dem sie ihn bei ihrem ersten Zusammentreffen berührt hatte. »Hier.«
Eric nahm ihn nach kurzem Zögern entgegen. Er spürte die Glätte des Metalls und wie es sich zwischen seinen Fingern erwärmte – aber es griff ihn nicht an. Und gleichzeitig fühlte es sich in ihm an, als fehlte ein wichtiger Bestandteil. Als klaffte eine Lücke dort, wo vorher die Bestie gewesen war.
Die Gefühle überwältigten Eric, während er den Ring an die Oberin zurückgab, und er weinte wie ein kleines Kind. Lena schlang die Arme um ihn und drückte ihn an sich. Die Anspannung der letzten Wochen fiel von ihm ab, der Druck der Verantwortung wich. Eric fühlte sich zum ersten Mal wie ein normaler Mensch, der endlich leben durfte.
»Ich bin geheilt«, flüsterte er. »Die letzte Bestie ist tot.«
Faustitia drückte die Stopp-Taste des Aufnahmegeräts und verließ das Zimmer, um die Liebenden nicht länger zu stören.
NACHWORT UND DANKSAGUNG
Der Vorhang hat sich
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