Sanctum
Ich bin hier.« Sie schluckte und beugte sich über ihn, bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Er genoss jede einzelne Berührung. »Bald ist alles gut.«
»Ich bin mir … nicht … sicher.« Das Sprechen fiel ihm schwer.
»Sie müssen ihm Ruhe gönnen«, hörte Eric die Ärztin wieder. »Er muss schlafen und sich ausruhen. Morgen können Sie mit ihm sprechen. Vergessen Sie nicht, was er durchgemacht hat. Andere Leute wären gestorben.«
Eric verlor das Bewusstsein.
Italien, Rom, 6. Dezember 2004, 09.52 Uhr
Eric öffnete die Augen und sah Lena neben seinem Bett sitzen. Sie döste, eine Hand lag auf seinem rechten Unterarm, im anderen steckte eine Infusionsnadel. Man gab ihm Kochsalz mit Vitaminen.
Durch das Fenster neben ihm fiel Sonnenschein herein und verkündete den wunderschönen Tag, der draußen herrschte. Auf dem Glas des Bildes an der Wand gegenüber spiegelten sich der See und das Dörfchen auf der Anhöhe, durch das spaltbreit geöffnete Fenster drang reine, saubere Winterluft in den Raum.
Er befand sich im Stützpunkt der Schwesternschaft außerhalb von Rom. Sein Gesicht glühte, er hatte Fieber und einen ausgetrockneten Mund. Auf dem Tisch neben ihm stand eine Karaffe mit Wasser. Vorsichtig streckte er die Hand danach aus.
Die Bewegung genügte, um Lena zu wecken. »Eric!« Sie rieb sich verschlafen die Augen, dann küsste sie ihn auf die spröden Lippen.
Jetzt fühlte er sich lebendig. Er hob die Hand, berührte ihren Rücken, spürte ihre Wärme und freute sich innerlich wie ein kleines Kind.
Sie löste sich von ihm. »Möchtest du etwas trinken?«
»Bitte, gern.« Er trank das erste Glas auf der Stelle leer, auch das zweite war schnell verschwunden. Eric wartete auf ein leises Zischen und Dampf, der aus seinem Mund kam, so heiß fühlte er sich an. »Wie bin ich hierher gekommen?«
»Dem Orden sei Dank.« Lena goss ihm ein und war, ihrem Gesicht nach zu urteilen, glücklich. »Die Schwestern haben Zanettini verfolgen lassen, als er Rom verließ, und als klar war, wohin er wollte, schickten sie mich zusammen mit ein paar Seraphim los, um dich aus Saugues hierher zu bringen.«
»Du?«
Sie lächelte. »Niemand hätte mich davon abgehalten, dir beizustehen.«
Eric betrachtete sein Bett. »Ich hätte euch ein bisschen früher gebraucht, fürchte ich.«
»Kaum wach und schon undankbar?« Lena strich ihm lächelnd durch die langen schwarzen Haare. »Es war nicht so einfach, dich aus Saugues hierher nach Genzano zu schaffen.« Sie fuhr mit den Fingern über seine Schulter, den Oberarm und kam auf der Brandnarbe zum Halt. »Was ist das?«
»Ein Andenken. Vielleicht von einem Feuergott.«
Es klopfte, und eine Schwester in einer Soutane trat ein. Sie sah erstaunt auf Eric, in den Händen hielt sie ein Tablett mit dem Frühstück, das vermutlich für Lena gedacht gewesen war. »Fühlen Sie sich stark genug, etwas zu essen, Herr von Kastell?«, erkundigte sie sich mit einem Lächeln.
»Ich … doch. Ich glaube schon.« Er setzte sich auf, bewegte sich langsam und wunderte sich, dass er kaum Schmerzen mehr hatte. Das Sanctum hatte die meisten Schäden behoben, nahm er an.
»Dann hole ich rasch etwas für Sie.« Die Schwester verschwand wieder hinaus.
Lena nötigte ihn, das Wasser zu trinken. »Drei Tage musst du durchhalten«, sagte sie. »Es ist ein widerliches Fieber, ich habe mich gefühlt, als wäre ich mit trockenem Sand und Löschpapier aufgefüllt worden. Am zweiten Tag hatte ich merkwürdige Visionen, und am dritten ließ das Fieber nach.« Er gab sein leeres Glas zurück und bekam einen Kuss zur Belohnung.
Eric wollte etwas erwidern, da öffnete sich die Tür wieder. Dieses Mal kam Faustitia herein, gefolgt von der Schwester mit seinem Frühstück.
»Der Herr zeigte an Ihnen all seine Gnade, Herr von Kastell.« Faustitia strahlte ihn an. »Danken Sie ihm, dass er Sie vor dem Tod bewahrt hat.«
»Wenn ich ihm begegnen sollte, werde ich das sicherlich tun«, gab er lächelnd zurück.
Faustitia setzte sich neben Lena. »Wenn es Ihnen nicht zu viel ausmacht und Sie sich stark genug fühlen, erzählen Sie mir, was in Saugues geschehen ist.« Sie stellte ein kleines digitales Aufnahmegerät auf den Tisch.
»Sicher.« Er aß und redete abwechselnd, dann gleichzeitig. Mit jedem Bissen erwachten mehr Lebensgeister, und noch niemals hatte ihm ein Rührei so gut geschmeckt wie an diesem wundervollen Tag. Die beiden Frauen hörten ihm zu und unterbrachen ihn kein einziges Mal. »Auch wenn die
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