Sandkönige - Geschichten
auftauchten.
Dafür war er nicht geschaffen. Es war zu heiß und zu trocken, und er hatte keine Kondition. Aber er ging trotzdem weiter, mit der Erinnerung an die Maw und ihre Art zu atmen, und mit dem Gedanken an all die sich schlängelnden kleinen Monster, die jetzt gewiß in seinem Haus herumkrochen. Er hoffte, daß Wo und Shade genau wußten, wie sie sie zu behandeln hatten.
Er hatte seine eigenen Pläne mit Wo und Shade. Es war ihr Fehler gewesen, sagte sich Kress, er hatte beschlossen, sie dafür büßen zu lassen. Lissandra war tot, aber er kannte genug andere aus diesem Berufszweig. Er würde seine Rache bekommen. Das schwor er sich hundertmal, während er schwitzend nach Osten stolperte.
Wenigstens hoffte er, daß es Osten war. Sein Orientierungsvermögen war nicht besonders, und er war sich nicht sicher, welchen Weg er in seiner ersten Panik eingeschlagen hatte, aber er hatte den Versuch gemacht, den Weg nach Osten zu finden, so wie es Wo vorgeschlagen hatte.
Als er ein paar Stunden lang gelaufen war, ohne ein Zeichen der Rettung zu sehen, kam Kress zu der Überzeugung, sich in der Richtung geirrt zu haben.
Als weitere zwei Stunden verstrichen waren, wurde er ängstlich. Was, wenn Wo und Shade ihn nicht finden konnten? Er würde hier draußen sterben. Er hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen, er war schwach und ängstlich, sein Hals aufgerauht vom Verlangen nach Wasser. Er konnte nicht weitergehen. Die Sonne ging unter, und er war in der Dunkelheit verloren. Was war schiefgelaufen? Hatten die Sandkönige Wo und Shade gefressen? Angst ergriff ihn wieder und erfüllte ihn mit großem Durst und schrecklichem Hunger. Aber Kress ging weiter. Er stolperte nun, als er zu laufen versuchte, und zweimal fiel er hin. Beim zweitenmal riß er sich die Hand an einem Stein blutig. Während des Weitergehens saugte er daran und bekam Angst vor einer Infektion.
Die Sonne versank am Horizont hinter ihm. Der Boden wurde ein bißchen kühler, wofür Kress dankbar war. Er entschloß sich, bis zum letzten Lichtschimmer weiterzugehen und sich dann einen Platz für die Nacht zu suchen. Gewiß war er inzwischen weit genug von den Sandkönigen entfernt, um sicher zu sein, und Wo und Shade würden ihn am nächsten Morgen finden.
Als er die nächste Anhöhe erklommen hatte, sah er vor sich die Umrisse eines Hauses.
Es war nicht so groß wie sein eigenes, aber es war groß genug. Es bedeutete Obdach und Sicherheit. Kress rief und begann darauf zuzulaufen. Essen und Trinken, er mußte Nahrung zu sich nehmen, er konnte das Essen schon schmecken. Er hatte Schmerzen vor Hunger. Er rannte die Anhöhe hinunter auf das Haus zu, fuchtelte mit den Armen und rief die Bewohner an. Das Tageslicht war fast geschwunden, doch er konnte im Dämmerlicht ein halbes Dutzend spielender Kinder ausmachen. »Hallo«, schrie er. »Hilfe, Hilfe!«
Sie kamen ihm entgegengelaufen.
Kress hielt abrupt inne. »Nein«, sagte er. »Oh, nein. Oh, nein!« Er machte auf dem Absatz kehrt, rutschte auf dem Sand aus, stand auf und versuchte davonzulaufen. Sie hatten ihn schnell eingeholt. Es waren scheußliche kleine Monster mit hervortretenden Augen und trüber, orangefarbener Haut. Er stolperte weiter, aber es war nutzlos. So klein sie auch waren, jedes hatte vier Arme, und Kress hatte nur zwei.
Sie trugen ihn zum Haus. Es war ein traurig anzusehendes, schäbiges Haus, erbaut aus bröckeligem Sand, doch der Eingang war riesig und dunkel, und er atmete. Es war schrecklich, aber es war nicht das, was Simon Kress zum Schreien veranlaßte. Er schrie wegen der kleinen, orangefarbenen Kinder, die aus der Burg gekrabbelt kamen und ihn unbewegt anstarrten, als er vorbeigetragen wurde. Sie hatten alle sein Gesicht.
* * * *
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Hannelore Hoffmann
DER WEG VON KREUZ UND DRACHEN
»Häresie«, erklärte er mir. In dem Schwimmbecken, in dem er lag, schwappte das brackige Wasser hin und her.
»Noch eine?« entgegnete ich voller Überdruß. »Heutzutage sind es ihrer so viele.«
Mein Lordkomtur war von dieser Bemerkung nicht angetan. Er veränderte unwirsch seine Lage und brachte das Wasser erneut in Bewegung. Es stieg über den Beckenrand und ergoß sich über die Fliesen des Empfangszimmers. Wieder einmal wurden meine Stiefel naß. Ich nahm es mit philosophischer Gelassenheit. Ich trug die schlechtesten Stiefel, die ich besaß, da mir klar gewesen war, daß nasse Füße zu den unausweichlichen Folgen eines Besuches bei
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