Sandkönige - Geschichten
um die Leichen zu holen, die noch auf dem Schlachtfeld lagen, mit denen er hoffte, den Hunger der Maw stillen zu können. Sie waren nicht mehr da. Kress erinnerte sich, mit welcher Leichtigkeit die Mobilen Dinge wegtragen konnten, die viel schwerer als sie selbst waren.
Es war schrecklich, daran zu denken, daß die Maw nach alledem immer noch Hunger hatte.
Als Kress das Haus wieder betrat, kam gerade eine Sandkönigkolonne die Stufen herunter. Sie trug seinen Shambler, schon in Stücke zerlegt. Sein Kopf schien ihn vorwurfsvoll anzublicken, als sie vorbeimarschierten.
Kress leerte seine Kühltruhe, seinen Vorrats schrank und stapelte alle Nahrungsmittel, die er fand, in der Mitte des Küchenbodens auf. Ein Dutzend Weißer wartete schon darauf, sie wegzuschaffen. Sie verschmähten die tiefgefrorenen Nahrungsmittel, die sie in einer großen Wasserlache zum Auftauen zurückließen, doch den Rest schleppten sie fort.
Als keine Nahrungsmittel mehr vorhanden waren, spürte Kress seinen eigenen Hunger, verspürte ihn als einen stechenden Schmerz, denn er hatte lange nichts mehr gegessen. Doch die Pein des anderen Hungers war stärker, und er wußte, die Ruhepause würde nur von kurzer Dauer sein. Bald würde die Maw wieder hungrig werden. Er mußte sie füttern.
Kress wußte, was er zu tun hatte. Er ging zu seinem Kommunikator. »Malada«, begann er beiläufig, als die erste seiner Freundinnen antwortete. »Ich gebe eine kleine Party heute abend. Ich weiß, es ist eine schrecklich kurzfristige Einladung, aber ich hoffe, du kannst es einrichten. Ich rechne mit dir.«
Als nächstes rief er Jad Rakkis an und dann die anderen. Als er seine Anrufe beendet hatte, hatten fünf die Einladung angenommen. Kress hoffte, daß das genügen würde.
Kress begrüßte seine Gäste vor dem Haus — die Mobilen hatten schnell und sorgfältig alles aufgeräumt, und der Boden sah fast so sauber aus wie vor dem Kampf — und begleitete sie bis zur Haustür. Er ließ sie zuerst eintreten. Aber er folgte ihnen nicht.
Als vier von ihnen hineingegangen waren, riß Kress seinen ganzen Mut zusammen. Er verschloß die Tür hinter seinem letzten Gast, ignorierte die aufgeregten Ausrufe, die sich bald in ein schrilles Geschnatter verwandelten, und rannte zu einem der Gleiter, mit denen die Gäste eingetroffen waren. Er schlüpfte vorsichtig hinein, drückte die Startertaste des Gleiters und fluchte. Er war darauf programmiert, nur nach Identifizierung des Daumenabdrucks seines Besitzers zu reagieren.
Rakkis kam als nächster. Kress rannte zu dessen Gleiter, als er aufsetzte, und zerrte Rakkis am Arm, als dieser herausklettern wollte. »Steig schnell wieder ein!« sagte er drängend. »Nimm mich mit in die Stadt. Beeil dich! Laß uns von hier verschwinden!«
Aber Rakkis starrte ihn nur an und bewegte sich nicht. »Warum? Was ist los, Simon? Ich verstehe nicht. Was ist mit deiner Party?«
Und dann war es zu spät, denn der lockere Sand um sie herum bewegte sich, und rote Augen starrten sie an, die Zangen klapperten. Rakkis gab einen erstickten Laut von sich und versuchte, wieder in den Gleiter zu gelangen, aber ein Paar Zangen schlossen sich um seine Knöchel, und plötzlich lag er auf den Knien. Der Sand schien aufzukochen. Rakkis schlug um sich und schrie entsetzlich, als sie ihn auseinanderrissen. Kress konnte nur hilflos zusehen.
Danach versuchte er nicht, nochmals zu fliehen. Als es vorbei war, trank er alles leer, was noch in seiner Bar vorhanden war, und wurde vollständig betrunken. Es war vielleicht das letztemal, daß er diesen Luxus genießen konnte, das wußte er. Der einzige Alkohol, der sich noch im Haus befand, war unten im Weinkeller deponiert.
Am nächsten Tag nahm Kress wieder keine Nahrung zu sich, aber er wurde müde und fühlte sich aufgebläht, schließlich sogar übersättigt. Der schreckliche Hunger war besiegt. Seine letzten Gedanken, bevor Alpträume ihn umfingen, waren, wen er wohl am nächsten Tag hierher locken konnte.
Der Morgen war heiß und trocken. Kress öffnete die Augen und sah den weißen Sandkönig wieder auf seinem Schrank. Er schloß die Augen schnell wieder und hoffte, der Traum würde verschwinden. Er tat es nicht, und er konnte nicht wieder einschlafen. Er starrte auf das Ding.
Er starrte fast fünf Minuten lang darauf, bevor ihm die Merkwürdigkeit des Wesens klar wurde; der Sandkönig bewegte sich nicht.
Die Mobilen konnten unnatürlich bewegungslos sein, das war sicher. Er hatte sie tausendmal
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