Sandra die Detektivin in Jeans
unterbrach sie. „Ist doch eine wie die andere. Wenn du ihnen nichts bieten kannst, laufen sie dir davon.“ Er schlüpfte aus seiner Pyjamajacke. „Reib mir noch eben die Schulter ein. Aber mach bitte schnell, ich muß mich beeilen.“ Frau Faber betrachtete besorgt den Bluterguß. „Es wäre mir doch lieber, wenn Dr. Meliert sich das ansähe. Möchtest du nicht bei ihm Vorbeigehen?“ bat sie ihren Sohn.
„Ja, gut, heute abend, wenn ich vom Dienst komme. Übrigens, kannst du mir fünfzig Mark borgen, Mutter? Mein Kollege will sich heute abend um mein Moped kümmern. Ich glaube, ich brauche ein paar Ersatzteile, und für seine Arbeitmuß ich ihm auch was geben.“
Frau Faber nickte. „Mach dich fertig. Ich richte inzwischen euer Frühstück. Ach, Rainer...!“
Rainer drehte sich an der Tür um.
„Die Tarifverhandlungen sind gelaufen. Ab Oktober kriegt der öffentliche Dienst sechs Prozent mehr. Ich hörte es in den Spätnachrichten. Dann brauchst du nicht mehr soviel zum Haushalt beizusteuern.“
Rainer wurde rot. „Mutter! Die Miete ist erhöht worden. Die Krankenversicherung kassiert auch wieder mehr...“
Frau Faber fiel ihm ins Wort. „Wir kommen aus! Aber ich möchte nicht, daß sich eine solche Schlägerei wiederholt. Ich finde es schlimm, wenn ein Junge mit den Fäusten Eindruck auf ein Mädchen machen muß. Und ein Mädchen, das so etwas zuläßt oder herausfordert, gefällt mir nicht für meinen Jungen.“
„Was redest du denn da?“ sagte Rainer wütend.
Doch seine Mutter ließ sich nicht beirren. „Ich weiß, Geld ist nicht alles, Rainer. Doch wenn man keins hat, fühlt man sich ziemlich minderwertig. Ich kenne das von mir. Und du arbeitest ja. Es steht dir also zu. Sobald feststeht, wieviel wir künftig netto mehr haben werden, entwerfen wir einen neuen Finanzplan. Es wird schon so viel für dich übrigbleiben, daß du deine Freundin auch mal zum Abendessen einladen kannst.“
„Ich habe keine Freundin“, sagte Rainer. „Ich will auch keine mehr. Deshalb brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben. Außerdem... er grinste. „Wenn dein Gehalt aufgestockt wird, kriege ich ebenfalls mehr. Ich bin ja auch im öffentlichen Dienst.“
Seine Mutter blickte ihm lächelnd nach.
Doch dann wurde ihre Miene ernst. Sie machte sich Sorgen um Rainer. Er nahm das Leben zu schwer. Vielleicht nahm er es deshalb so schwer, weil es ihm nie leichtgemacht worden war. Seine Kindheit war überschattet gewesen von dem Verlust seines Vaters. Und sie selbst hatte es nicht verstanden, ihm darüber hinwegzuhelfen. Sie hatte im Gegenteil ihren Ältesten mit ihren eigenen Sorgen belastet. Sie hatte ihn ungewollt in eine Beschützerrolle gedrängt, die das Kind überfordern mußte.
Das war ihr in den letzten Wochen klargeworden, als sie erlebte, wie er sich quälte, wie er es nicht verstand, Eva zurückzugewinnen oder sie zu vergessen. Es war normal, daß ein junger Mensch litt, wenn ihm seine erste große Liebe verlorenging. Auch Ältere drohten manchmal an einem solchen Verlust zu zerbrechen. Doch es war unnormal und selbstzerstörerisch, wie Rainer darauf reagierte.
Er blieb tatenlos. Er vergrub sich in seinen Kummer. Er brachte es nicht einmal über sich, darüber zu sprechen. Machte alles mit sich alleine ab. So war er schon als Kind gewesen. Auch damals, als sein Vater seine Familie verließ und untertauchte, um sich auch noch den Unterhaltszahlungen für seine Kinder zu entziehen.
Was hatte sie als Mutter versäumt?
Rainer fühlte sich ständig zurückgestoßen und ungeliebt. Weshalb hatte sie es nicht verstanden, ihn zu einem selbstbewußten, heiteren Menschen zu erziehen? Sie hätte ihm über den Verlust des Vaters hinweghelfen müssen.
Doch kann man einem Kind darüber hinweghelfen?
Sandra hatte es überwunden. Sandra war anders. Sandra setzte sich zur Wehr, wenn man sie angriff. Sie nahm es nicht klaglos hin, daß man ihr weh tat. Sie hielt ihren Feinden nicht die andere Wange hin, wenn man sie schlug, seelisch oder körperlich. Sandra hatte früh erkannt, daß Menschen nicht vollkommen sind, daß sie einander zu quälen vermögen. Es mißfiel ihr. Doch sie fand sich damit ab. Sie zerbrach nicht daran, sondern kämpfte, solange sie glaubte, daß es sinnvoll war.
Rainer hatte nie gekämpft. Es mußte ihn schlimm getroffen haben, wenn er sich dazu hinreißen ließ, sich mit den Fäusten zu verteidigen, statt Beleidigungen einzustecken oder zu fliehen, als man ihn angriff.
„Ist mein
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