Sands, Lynsay - HG 128 - Doppelspiel aus Liebe
nannte der Hauswirt einen Betrag, bei dem die Frau erschrak. „Aber die Miete beträgt doch nur die Hälfte davon! “
„Schon richtig, doch Sie zahlen zu spät, und deshalb berechne ich Ihnen Zinsen", erklärte er listig.
„Zinsen kommen überhaupt nicht infrage.“
Bei Radcliffes stahlharter Stimme drehte sich Charlie verblüfft um. Sie hatte ihn gar nicht herankommen hören.
„Sie werden den korrekten Betrag kassieren und ihnen gestatten, ihr Hab und Gut herauszuholen, oder Sie erhalten gar nichts, und wir verwenden das Geld zur Beschaffung des Ersatzes der Sachen, die sie hier zurücklassen müssen. Entscheiden Sie sich.“
Der Hauswirt machte ein finsteres Gesicht. Sein Blick glitt von Radcliffes großer, aufgerichteter Gestalt zu dem zerdrückten Hut voller Münzen, den Charlie in Händen hielt. Dann nickte er säuerlich. „Einverstanden.“
Charlie zählte das entsprechende Geld ab und hielt es ihm hin. Der Mann riss es ihr schneller aus der Hand, als sie schauen konnte.
„Gehe mit ihnen hinein, Charles, und hilf ihnen beim Packen. Mr. Wickman und ich werden hier draußen auf euch warten.“
Mr. Wickman fand den Handel offenbar gar nicht so gut, konnte jedoch kaum etwas dagegen tun. Widerstrebend trat er zur Seite und sah den Hartshairs wütend hinterher, als sie an ihm vorbeieilten.
Charlie folgte ihnen in das düstere, übel riechende Innere des Gebäudes und zwei Etagen eine wackelige Stiege hinauf zu einem kleinen Raum, der die gesamte Wohnung der Hartshairs umfasste.
An einem Ende dieses Zimmers stand ein Bett. Eine daneben gespannte Leine zeigte ihr, dass abends zwecks Abgeschlossenheit ein Laken darüber gehängt wurde. Zwei Strohsäcke in der gegenüberliegenden Ecke bildeten offenbar die Schlafstatt der Kinder. Auf dem kleinen Fleck um die Herdstätte herum befanden sich ein Stuhl mit einem zerbrochenen und reparierten Bein sowie einige einfache Küchengeräte.
Charlie war die Kehle wie zugeschnürt beim Anblick einer solchen Armut, und sie war nur froh, dass es nicht so lange dauerte, bis die kleine Habe zusammengepackt war. Noch nie zuvor war sie in einer derartig jämmerlichen Wohnstatt gewesen und kannte auch niemanden, der so wenig besaß wie diese kleine Familie: ein paar zerrissene Kleidungsstücke. Ein zerlumptes Püppchen, das dem Mädchen, und eine unbeholfen geschnitzte Holzfigur, die dem Knaben gehörte. Ein Topf und eine Pfanne zum Kochen. Alles zusammen fand Platz in einem einzigen Bündel.
Mrs. Hartshair drehte sich schließlich zu Charlie um. „Ich möchte Ihnen danken für das, was Sie getan haben – dass Sie unsere Miete gezahlt haben und alles, doch …“ Sie schluckte und richtete sich stolz auf. „Ich werde das alles irgendwie zurückzahlen, nur …“
„Ich erweise Ihnen wirklich keinen so großen Gefallen, wie Sie ihn mir erweisen. Wenigstens hoffe ich, dass Sie das tun“, unterbrach Charlie sie.
Als die Frau sie argwöhnisch anschaute, sprach Charlie weiter. „Radcliffe – der Gentleman unten, ja?“ Auf das Nicken der Frau hin fuhr Charlie fort: „Nun, also ich glaube, sein Koch verließ ihn heute Morgen. Der Lord hatte noch keine Möglichkeit, sich nach einem Ersatz umzusehen, und … Nun ja, mir scheint, Sie benötigen jetzt eine Wohnung und eine etwas anspruchsvollere Arbeit.“
„Eine Arbeit?“ wiederholte sie teils furchtsam, teils hoffnungsvoll.
„Ja.“ Charlie lächelte ihr ermutigend zu. „Es wäre eine Stellung, bei der Sie nicht außerhalb wohnen müssten, also wäre das Problem Ihrer Unterkunft fürs Erste gelöst.“
„Und meine Kinder? Würden sie nicht im Wege sein?“
„Nein. Ich bin mir sicher, alles wäre in Ordnung. Ihre Tochter könnte sogar Bessie helfen, der Zofe meiner Schwester. Das wäre für sie eine gute Lehre. Und ich denke, in den Stallungen benötigt man immer eine Hilfe, wenn Ihr Sohn alt genug ist.“
„Oh mein Gott!“ Überwältigt ließ Mrs. Hartshair sich auf die Bettkante sinken.
Charlie betrachtete sie unsicher. „Fühlen Sie sich nicht wohl?“
„Ich … es ist nur …“ Sie schüttelte schwach den Kopf, und Tränen rannen ihr über die Wangen. Sofort liefen die Kinder zu ihr. Verwirrt und furchtsam wollten sie ihre Mutter trösten. Diese nahm sie in die Arme, gab jedem von ihnen einen Kuss auf den Kopf und sah dann in großer Dankbarkeit zu Charlie auf.
„Lange Zeit stand es um uns sehr schlecht“, erzählte sie. „Mein Ehemann, Gott hab ihn selig, wollte eigentlich gar nicht spielen
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