Sanft wie der Abendwind
Beziehung mit Lily eingemischt, und ich gestatte dir nicht, dich auch zwischen Natalie und mich zu stellen! Deine Mutter und ich meinen, dass es eine einmalige Chance für Natalie ist, die sie unbedingt nutzen sollte.“ Ohne sich zu verabschieden, verließ Hugo das Büro.
Ich habe alles vermasselt, dachte Sebastian bedrückt.
Die Frage war, was er jetzt tun konnte, um Hugos Achtung zurückzugewinnen und, noch wichtiger, die Selbstachtung.
10. KAPITEL
Fünf Tage später schickte der Detektiv einen Abschlussbericht, und nun hatte Sebastian den Beweis vorliegen, wie falsch er Lily beurteilt hatte. Es stand außer Frage, dass er seinen Stolz begraben musste. Das eine oder andere kleinere Zugeständnis würde nicht genügen.
Er wartete, bis Natalie nach Indien abgereist war, und arbeitete seine wichtigsten Fälle auf, bevor er seine Mutter und Hugo über seine Pläne informierte.
„Nächste Woche fliege ich nach Vancouver. Ich könnte Lily anrufen und mir den Weg sparen, aber ich finde, dass ich sie von Angesicht zu Angesicht um Entschuldigung bitten muss. Falls ihr mich erreichen wollt: Ich steige im Hotel Vancouver ab.“
„Wie lange wirst du wegbleiben?“, erkundigte Cynthia sich.
„So lange wie nötig.“ Er sah Hugo an. „Ich erwarte nicht, dass sie mir verzeiht, aber ich hoffe, du kannst mir irgendwann vergeben.“
„Ich betrachte dich seit Langem als meinen Sohn, Sebastian. Du müsstest schon mehr als einen Fehler machen, bevor sich das ändert.“
Die Worte hätten ihn trösten müssen, stattdessen fühlte er sich beschämt und unbehaglich. Er sah sich noch einmal zu Hugo und Cynthia um, als er die Terrasse verließ, und war bestürzt, wie alt und einsam die beiden plötzlich wirkten.
Die unbestimmte Sorge um seine Eltern quälte Sebastian unablässig, während er im Flugzeug nach Vancouver saß, obwohl er sonst nichts auf Vorahnungen gab. Hoffentlich würde Lily zustimmen, ihn noch am selben Abend zu treffen. Er wollte sie überreden, mit ihm nach Stentonbridge zurückzukehren und dort den Rest des Sommers zu verbringen. Seinen Besuch kündigte er ihr nicht telefonisch an, weil er sich dachte, dass sie ihm nur aufmachen würde, wenn er sie überraschte.
Am frühen Abend stand er vor dem Apartmentblock nahe der Bucht, in dem Lily im vierzehnten Stock wohnte. Es wurde bereits dunkel, nur noch schwach schimmerte das Abendrot am Himmel.
Sebastian bezog Stellung hinter einigen Topfpalmen neben dem Eingang und wartete, dass jemand das Gebäude betreten oder verlassen würde, um dann unauffällig hineinzugelangen.
Dass es ausgerechnet Lily sein würde, hatte er nicht erwartet. Sie kam, Einkaufstüten in der Hand, die Stufen von der Straße herauf und ahnte nicht, dass sie beobachtet wurde. Als sie die Tür aufschloss, legte er ihr die Hand auf die Schulter. Lily schrie entsetzt auf und ließ die Tüten fallen, was ihn beinah ebenso erschreckte, wie er sie unabsichtlich erschreckt hatte.
„Keine Angst“, beruhigte er sie und klopfte ihr beschwichtigend auf die Schulter. „Ich bin’s nur.“
„Nur? Das ist ja noch schlimmer als das, was ich befürchtet hatte. Was tust du hier, Sebastian? Abgesehen davon, dass du im Gebüsch lauerst wie ein Spanner.“
„Ich möchte unbedingt mit dir reden. Lädst du mich in deine Wohnung ein, oder sollen wir uns hier auf die Stufen setzen?“
„Keins von beidem“, antwortete sie kurz angebunden. „Hör endlich auf, mich so besänftigend zu tätscheln wie einen bösartigen Hund!“
„Nervös vielleicht, aber niemals bösartig“, erwiderte er kleinlaut, ohne den Blick von ihr zu wenden. Sie war errötet und atmete stoßweise, ihre Brüste hoben und senkten sich unter dem duftigen Sommerkleid.
Sebastian schluckte trocken. Dann bückte er sich und stopfte einen Karton Pfirsicheis, eine Packung tiefgefrorener Fritten, eine große Flasche Ketchup und eine Tüte Erdnüsse mit Schokoladenglasur in die Einkaufstasche.
„Immer noch scharf auf Junkfood, wie ich sehe“, bemerkte er und reichte Lily die Tasche.
„Stimmt! Manche Menschen sind tatsächlich so, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.“
Das war kein vielversprechender Anfang. „Ich weiß, du schuldest mir überhaupt nichts, Lily …“
„Wie großzügig von dir!“
„Wenn du mich absolut nicht anhören willst, dränge ich dich bestimmt nicht. Ich bitte dich jedoch inständig, mir die Chance zu geben, mich zu rechtfertigen. Ich habe einen weiten Weg hinter mir, in mehr als einer
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