Sanft wie der Abendwind
hast recht“, gab Sebastian zu. „Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass ich dich ungerechtfertigt verdächtigt habe. Zu sagen, wie leid es mir tut, ist keine ausreichende Wiedergutmachung.“
„Wie wahr!“ Das klang herablassend.
„Was willst du denn, Lily? Meinen Kopf auf einem silbernen Tablett?“
Sie sah ihn völlig ausdruckslos an. „Nein, nichts so Melodramatisches. Ich möchte etwas, das du mir nicht bieten kannst – oder willst.“
„Du machst es mir nicht leicht, Lily!“
„Es ist ja auch keine Kleinigkeit, jemanden zu hintergehen, der dir vertraut! Wenn dir nicht gefällt, in welche Lage es dich gebracht hat, dann such dir doch eine Schulter zum Ausweinen – und zwar außerhalb dieser Wohnung! Die zehn Minuten sind um!“
Verwirrt senkte er den Blick. „Ich weiß, was du hören möchtest, aber sei bitte vernünftig! Verlang nicht von mir, mich blind in etwas zu stürzen, das mir jetzt erst allmählich klar zu werden beginnt.“
„Du bist, ohne groß zu überlegen, mit mir ins Bett gegangen. Bedenken hattest du nur dahin gehend, ob ich es wert sei, in den Schoß deiner kostbaren Familie aufgenommen zu werden.“
„Genügt es dir nicht, dass ich dich jede Sekunde vermisst habe, seit du abgereist bist? Dass ich dich vorhin sofort in die Arme nehmen wollte? Kannst du dich damit nicht fürs Erste zufriedengeben, Lily?“
„Nein.“ Sie ging zur Wohnungstür und öffnete sie. „Ich habe genug Freunde, die mich in die Arme nehmen, wenn mir danach zumute ist. Tut mir leid, dass du den weiten Weg vergeblich gemacht hast.“
Obwohl Lily so viel kleiner und leichter als er war, schob sie ihn erstaunlich schnell aus dem Apartment. „Warte!“, rief er, in seinem Stolz zutiefst getroffen. „Ich bin noch nicht fertig.“
„Oh doch, das bist du“, erwiderte sie und warf die Tür ins Schloss.
Sebastian überlegte kurz, ob er dagegenhämmern oder das verflixte Ding eintreten sollte. Nein, er hatte sich schon genug blamiert und wollte Lily auf keinen Fall auch noch die Freude gönnen, die Polizei zu rufen und ihn abführen zu lassen.
Der Tag musste erst noch kommen, an dem er, Sebastian Caine, sich aus Liebe zum Narren machte!
Noch lange stand Lily da, und ihr Herz pochte so wild, dass sie sich fragte, ob sie es bis zum nächsten Sessel schaffen würde, ohne einen Herzanfall zu bekommen.
Sie hatte in den vergangenen Wochen Tag und Nacht von Sebastian geträumt. Oft hatte sie geglaubt, ihn auf der Straße zu sehen, am Strand, in einem Restaurant, doch das Wunschdenken hatte sie jedes Mal in die Irre geführt.
Die Erinnerung täuschte sie ebenfalls. Das Motel, in dem sie die erste Nacht mit Sebastian verbracht hatte, war unbeschreiblich schäbig gewesen, und trotzdem verwandelte es sich im Rückblick in einen magischen Ort, an dem ihre Liebe begonnen hatte. Wenn sie, Lily, doch nur gewusst hätte, wie alles enden würde!
Ironischerweise hatte sie heute nicht an Sebastian gedacht, als sie vom Supermarkt zurückkam. Sie hatte erfahren, dass ihr früherer Geschäftspartner ein Geständnis abgelegt hatte und ihr somit erspart blieb, vor Gericht gegen ihn auszusagen. Ja, sie war beinah glücklich gewesen.
Dann hatte sie sich umgedreht, und da hatte Sebastian gestanden. Neue Hoffnung hatte sie durchflutet, aber wieder einmal war sie enttäuscht worden. Er hatte nur sein Gewissen erleichtern wollen und als Draufgabe ein bisschen Sex mit ihr erhofft, während sie …
Ich will deine Liebe, hätte sie am liebsten geantwortet, als er sie gefragt hatte, was sie denn wolle. So bedingungslose Liebe, wie sie ihm zu schenken bereit war, falls er das Geschenk annehmen würde.
Seine Gefühle waren jedoch nie bedingungslos gewesen. Selbst wenn sie sich in den Armen gehalten hatten, sogar beim Höhepunkt, hatte er immer Vorbehalte gegen sie gehabt.
Warum nur war er so attraktiv und sexy? Und warum weinte sie wie ein kleines Kind wegen eines Mannes, der es nicht wert war?
„Es war das einzig Richtige, ihn wegzuschicken“, klagte Lily laut und ging in die Küche zurück, wo sie tiefgefrorene Fritten auf ein Backblech breitete und es ins Backrohr schob.
Ich sollte mich auf das Positive konzentrieren, sagte sie sich dann. Sie hatte eine neue Familie gefunden: einen Vater, eine Schwester und eine bezaubernde Stiefmutter. Den Mond durfte sie sich nicht auch noch wünschen.
In den folgenden Wochen waren Hugos Anrufe und die Postkarten von Natalie Lilys einziger Trost. Manchmal dachte sie unwillkürlich
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