Sanfte Selbstbehauptung
hatte sie die Sache etwa falsch verstanden? Muss sie nun für immer von diesem mageren Probezeitgehalt leben?
Britta wartete. Sie wartete auf ihr normales Gehalt. Mit jedem Tag, der verging, wurde sie immer unsicherer. Was würde passieren, wenn sie den Chefredakteur darauf ansprach? Britta begann zu spekulieren. Vielleicht war er mit ihren Leistungen doch nicht zufrieden und sie hatte die Probezeit gar nicht bestanden? Nein, Britta wusste, dass sie gute Arbeit ablieferte. Aber warum bekam sie nicht das vereinbarte Gehalt?
Raus mit der Sprache
Nach fast drei Wochen war Britta so verunsichert, dass sie regelrecht Angst hatte, den Chefredakteur anzusprechen. Und das war für sie sehr ungewöhnlich. Normalerweise machte ihr das gar nichts aus. Wenn es um ihre Themen und Artikel ging, war sie zäh, unnachgiebig und entschlossen. Aber jetzt – in eigner Sache – war ihr Selbstvertrauen auf einem Tiefpunkt angekommen.
Zuviel grübeln untergräbt das
Selbstvertrauen.
Britta erzählte einer Kollegin davon und die brauste sofort auf: »Sag mal, bist du verrückt? Dich mit so einem Taschengeld abspeisen zu lassen und dann gehst du nicht zum Chef, wenn die Probezeit um ist? Ich hätte ihn vor zwei Monaten gefragt, ob ich die Probezeit bestanden habe und wann mein reguläres Gehalt kommt. Worauf um Himmels willen wartest du? Hier fliegen dir keine gebratenen Tauben in den Mund. Die Tauben musst du selbst jagen und braten. Geh zu ihm, am besten sofort.«
Die Kollegin schob Britta in Richtung Chefbüro. Dort fasste sich Britta ein Herz, atmete tief durch und ging hinein. Der Chef war in Eile und zeigte deutlich, dass es sich für Britta gar nicht erst lohnte, sich hinzusetzen. Also blieb sie stehen und erklärte ihm, dass die sechs Monate ihrer Probezeit um waren. Und dann fragte sie leicht stotternd, ob sie die Probezeit bestanden hätte.
Warten Sie nicht darauf, dass andere
Menschen auf Sie zukommen.
Werden Sie aktiv und bitten Sie um
ein Gespräch.
Der Chefredakteur zog die Mundwinkel nach unten und antwortete schroff: »Ja, sonst würden Sie nicht hier stehen.«
Britta schluckte und fragte weiter: »Und was ist mit meinem Gehalt? Sie sagten mir, ich würde nach der Probezeit...«
Der Chef unterbrach sie: »Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber warum kommen Sie erst jetzt damit? Die Probezeit ist seit drei Wochen vorbei.« Britta war verlegen und murmelte etwas von »... zu viel zu tun«.
Der Chef ließ nicht locker: »Sie haben zu viel zu tun, um sich um Ihr Gehalt zu kümmern? Was ist denn mit Ihnen los? Sind Sie reich verheiratet? Oder leben Sie noch bei Mama und Papa?« Innerlich wurde Britta langsam wütend. Sie suchte nach einer passenden Retourkutsche, aber der Chefredakteur kam ihr zuvor: »Okay, Sie haben die Probezeit bestanden und bekommen das normale Gehalt. Alles klar. Bis dann.«
Damit war das Gespräch beendet.
Stille Bescheidenheit wird oft
nicht belohnt.
Nein, das war kein tolles Gespräch und dennoch fiel Britta ein Stein vom Herzen. Das Bangen und die Unsicherheit waren zu Ende. Sie bekam ihr vereinbartes Gehalt und war offiziell fest angestellt.
Die ganze Sache war für Britta sehr lehrreich. Ihr war Folgendes klar geworden:
• Ohne nachzufragen und ohne zu fordern, passiert überhaupt nichts.
• Wenn sie nicht losgeht und das verlangt, was ihr zusteht, geht sie leer aus.
• Warten verunsichert nur.
• Losgehen und fordern ist das Einzige, was hilft.
• Und: Stille Bescheidenheit wird nicht belohnt.
Das Drama der kompetenten Frauen und Männer
Für Britta war dieser Job eine Lektion in Sachen Wünschen, Bitten, Fordern. Und damit entkam sie dem Drama der Kompetenten. Das Drama der kompetenten Menschen sieht so aus: Sie sind leistungsfähig, rackern sich ab – und warten. Sie warten auf Anerkennung, sie warten auf Beförderung, sie warten auf mehr Gehalt. Die Kompetenten warten, weil sie glauben, dass ›die da oben‹ doch merken müssten, wie tüchtig sie sind. Aber in Wirklichkeit passiert nichts. Nein, das stimmt nicht ganz. Es passiert doch etwas.
Während die Kompetenten auf Anerkennung oder eine Beförderung warten, ernten die anderen die Lorbeeren. Das sind vielleicht nur die mittelmäßig-tüchtigen Mitarbeiter. Aber die machen viel mehr Wind um ihre Leistung. Die sagen deutlich, was sie wollen und verhandeln hartnäckig um ihre Forderungen. Und damit haben sie auch Erfolg. Vielleicht nicht immer. Aber doch deutlich mehr als diejenigen, die nur
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