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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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recht. Charlotte beschloss, erst einmal im Gasthof einzukehren, eine Kleinigkeit zu essen und etwas zu trinken, um dann in aller Ruhe nach Neu-Kronau zurückzureiten. Vier Wochen, das war eine letzte Frist, um endlich einen Verwalter einzusetzen. Wenn das geschafft war, würde sie nach Daressalam fahren, um in der Villa alles für Georges Rückkehr vorzubereiten. Er sollte wissen, dass sie ihm nicht böse war.
    Der Gasthof in Wilhelmsthal ähnelte mit seinem runden Treppenturm einem verträumten Adelssitz oder einem Schlösschen aus den Märchen der Gebrüder Grimm. Die Gaststube war mit Fotos deutscher Landschaften sowie Bierkrügen aus Heidelberg und Tübingen ausgestattet, dazwischen hingen afrikanische Masken, ein prächtiges Antilopengehörn und mehrere präparierte Meerkatzen. Um diese Zeit war es recht ruhig, da die deutschen Bewohner von Wilhelmsthal erst gegen Abend erschienen, um ihr Bier zu trinken. Nur an einem Tisch am Fenster saßen zwei Männer bei Bohneneintopf und Dünnbier. Charlotte kannte einen von ihnen, einen blonden, jungen Burschen, der sich Mathias Selbheim nannte und auf der Domäne Kwai angestellt war, den anderen hatte sie noch nie zuvor gesehen. Er war breit gebaut, hatte einen feisten Nacken, Kopfhaar und Bart waren dunkelblond gelockt. Als Charlotte, von ihrem rotbraunen Hund begleitet, in die Gaststube trat, hob der Fremde den Kopf, um sie mit seinen blauen Augen anzustarren.
    » Guten Tag, die Herren… «
    Die Burschen grüßten freundlich zurück, der Stiernackige schien überrascht, dass sie Deutsch sprach, hatte er sie mit ihrem dunklen Haar und den schwarzen, goldglänzenden Augen doch zunächst für eine Inderin gehalten.
    Die Wirtin bediente selbst, es gab Eintopf aus Bohnen und Räucherwurst, Mangokompott, Käse und frische Ananas. Charlotte bestellte von allem zwei Portionen, eine für sich, die andere für Schammi, der draußen beim Gesinde versorgt wurde und nicht mit in die Gaststube durfte.
    » Und das Hundele bekommt einen Knochen. Was für ein schöner Kerl, den könnt ich hier in der Gastwirtschaft gut brauchen. Sie glauben ja gar nicht, was für ein Volk hier manchmal einkehrt… Ach, da fällt mir ein, Frau Johanssen, es hat jemand nach Ihnen gefragt… «
    » Ach ja? Und wer? «
    » Ein Deutscher. Schaute aus wie ein Landstreicher, der Bursche. Wenn er bisher bei Ihnen nicht aufgetaucht ist– seien Sie froh drum! «
    Simba hatte das Herz der Wirtin aus dem Schwabenland schon vor einiger Zeit erobert, und jetzt wurde er mit einer Schüssel frischem Wasser und einem gewaltigen Rinderknochen verwöhnt, den er unter den Tisch schleppte, um ihn dort zu verspeisen.
    » Sehr zum Wohl! « , prostete der Stiernackige Charlotte zu, als die Wirtin ihr die bestellte Limonade brachte.
    Sie prostete freundlich, aber gemessen zurück– auch hier in der Kolonie war es nicht üblich, dass sich eine Frau allein in eine Gaststube setzte. Am Tage mochte es noch gehen, am Abend wäre es ganz und gar unschicklich gewesen.
    » Darf ich mich vorstellen? Anton Meyer aus Rosenheim, ein echter Bayer in Deutsch-Ostafrika. Was sagen Sie dazu, gnädige Frau? « Er lachte so dröhnend, dass sein massiger Körper anfing zu vibrieren. Hinterhältig kam er ihr nicht vor, eher ein wenig plump-vertraulich. Ein großes Kind, das es möglicherweise faustdick hinter den Ohren hatte.
    Der blonde Martin Selbheim war unterwegs nach Mombo, um mit der Usambara-Bahn an die Küste zu fahren, wo er einige Aufträge seines Arbeitgebers zu erledigen hatte. Als Charlotte eingetreten war, hatte er schnell die offen stehenden Knöpfe seines Hemds geschlossen, doch sie hatte die tiefen Halsgruben und die vorstehenden Schlüsselbeine längst bemerkt. Fast jeder, der ihn kannte, wusste von seiner Lungenkrankheit, doch er selbst behauptete stets, es gehe ihm von Tag zu Tag besser, was an der guten Luft im Usambara-Gebirge liege.
    » Eine wunderschöne Landschaft « , schwatzte Meyer. » Man könnte glauben, in einem deutschen Mittelgebirge zu sein. Nur wilder schaut’s aus, und überall die Dörfer mit den Negern… «
    Als er erfuhr, dass sie eine Plantage besaß und ihren Betrieb selbst leitete, schien für ihn die Welt zusammenzustürzen. Eine Frau? Ganz allein? Sie habe doch gewiss tüchtige Mitarbeiter, sonst wäre das ja gar nicht möglich.
    Die beiden Männer waren so höflich, sie in Ruhe essen zu lassen, doch kaum hatte die Wirtin das Geschirr abgeräumt, fragte Meyer sie neugierig nach ihrer Plantage aus.

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