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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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zu brauchen schienen. Überdies sagte man ihnen ein Liebesverhältnis nach.
    Sie liefen aus dem Wald, fragten nach einer Autobahn und trampten gen Osten. Abends gegen sieben Uhr waren sie in Potsdam, wurden am Bahnhof herausgelassen und gingen über die Lange Brücke. Sie liefen die Friedrich-Ebert-Straße entlang, bogen links in einen Hof und betraten über eine Treppe das Hafthorn, eine ziemlich heruntergekommene Kneipe, in der sie immer irgendwelchen Bekannten begegneten. An einem Tisch im hinteren Bereich des langgestreckten, dunklen, holzverkleideten Raums saß Maja Pospischil, die mit den beiden Geschwistern früher einmal dieselbe Schulklasse besucht hatte. Heute waren sie lose befreundet, trafen sich bisweilen und zogen dann durch die Gegend, saßen am Ufer, wohnten den Mittsommernachtsfeuern auf dem Pfingstberg bei und so weiter. Maja sah auf, als die beiden den Raum betraten, musterte Heike, betrachtete ihre Kleidung und kniff unmerklich die Augen zusammen. Sie selbst trug wie gewohnt ein auffällig orangefarbenes Oberteil, die zu dieser Zeit überall modische Tunika, eine Kette mit Holzringen und hatte ihr ebenfalls orangerotes Haar hochgesteckt. Ihre Augen waren grün. Maja war sehr schön, erinnerte Arnold aber manchmal an einen Kürbis.
    Unweit von ihr, ohne Blickkontakt zu Maja Pospischil, kauerte Nils Ebert an einem niedrigen Holztisch und schrieb auf Papierzettel. Er saß schon eine ganze Weile so da. Wenn ihn jemand ansprach, schaute er nicht auf, sondern winkte nur mit einer beiläufigen Handbewegungab, wie man eine Fliege verscheucht. Arnold sah das und lächelte. In der Schule galt Nils als Streber, allerdings war er das genaue Gegenteil. Alles fiel ihm sehr leicht. Arnold setzte sich zu ihm. Bei Arnold schaute Nils sofort auf (denn in Wahrheit beobachtete er alles aus seinen Augenwinkeln heraus und überblickte das Hafthorn die ganze Zeit genau, wie ein General, der von einem erhöhten Punkt aus das Schlachtfeld studiert). Und, wie war euer Ausflug, fragte er. Arnold: Das war kein Ausflug, das war, wie du weißt, eine Beerdigung. Nils: Wie die Beerdigung vonstatten gegangen ist, kann ich mir vorstellen. Armer Max Hornung. Den Rest kann ich mir allerdings nicht so ganz vorstellen. Gab es die Katastrophe? Wenigstens Streit? Haben sie dich mitgenommen? Arnold: Wohin mitgenommen? Nils: Hierher zurück. Bist du mit den Malkowskis gefahren? Arnold: Du bist ja verrückt! Warum sollte ich mich zu denen in den Wagen setzen? Die würden mich am Ende noch zur Polizei bringen. Nils: Ich kann dir sagen, warum du dich zu ihnen in den Wagen setzen würdest. Weil das Opfer immer eine seltsame Bindung zum Täter entwickelt. Ich glaube sogar, nur deshalb seid ihr nach Frankfurt gefahren. Weil es euch nicht in Ruhe läßt. Arnold zögerte. Aha, sagte er langsam. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Wer ist das Opfer? Nils: Du, Heike, Max, wer weiß? Der Malkowski kommt sich natürlich selbst als Opfer vor. Arnold: Es sei die Höhe, daß wir auch noch bei der Beerdigung erscheinen, irgend so etwas haben sie gerufen. Die eigentliche Beerdigung haben wir gar nicht erlebt. Wir waren zwar auf dem Friedhof, aber wir blieben immermindestens fünfzig Meter entfernt. Nils: Ich halte diesen Malkowski für eine absolut normale und gewöhnliche Person. Eine, die das, was sie für normal und gewöhnlich hält, als ein Weltgesetz ansieht und mit hundertprozentiger Brutalität durchsetzt. Ganz ähnlich, wie wir es für natürlich halten, auf Insekten zu treten. Nur deshalb konntest du so mit ihm spielen. Übrigens habe ich eine Theorie. Diese Theorie läßt sich am besten an dem demonstrieren, was ich die letzten drei Tage gemacht habe, als ihr in Frankfurt wart. Am Sonntag waren wir (du, Heike, ich) noch gemeinsam am Havelufer, dann saß ich eine Zeitlang auf einer Bank, und zwar in der Lindenstraße, ich hatte mir diese Bank vorher ausgesucht, sie war mir schon seit Tagen aufgefallen. Auf dieser Bank saß ich eine Weile, ich tat, genau gesagt, gar nichts. Ich beobachtete nicht einmal die Menschen, oder doch, ich beobachtete sie, aber weniger ihr Aussehen, sondern vielmehr den Rhythmus ihres Erscheinens, es hatte etwas von Ballett oder von einer inszenierten Filmszene mit Fußgängern, vorbeifahrenden Autos und so weiter. (Arnold nahm die zwei Bücher in die Hand, die Nils neben sich auf der Bank liegen hatte. In beiden steckten Zettel, auf dem Deckel des einen stand Angelologia S. Thomae Aquinati , das andere war ein gelbes

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