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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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wenigstens so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit für diese ewige Kontrolle und das Eingesperrtsein«, sagte Gideon. »Wenn es die Zeitreisen nicht gäbe, wäre ich vor Langeweile längst gestorben. Paradox, aber wahr.«
    »Mir würde es als Nervenkitzel genügen, ab und zu einen spannenden Film anzuschauen, ehrlich.«
    Sehnsüchtig sah ich einem Radfahrer nach, der sich durch den Stau schlängelte. Ich wollte endlich nach Hause! Die Autos vor uns bewegten sich keinen Millimeter, was unserem lesenden Fahrer ganz recht zu sein schien.
    »Wenn deine Familie in Südfrankreich lebt - wo wohnst du denn dann?«, fragte ich Gideon.
    »Seit Neustem habe ich eine Wohnung in Chelsea. Aber da bin ich eigentlich nur zum Duschen und Schlafen. Wenn überhaupt.« Er seufzte. Zumindest in den letzten drei Tagen hatte er offensichtlich genauso wenig Schlaf abbekommen wie ich. Wenn nicht noch weniger. »Vorher habe ich bei meinem Onkel Falk in Greenwich gelebt, seit meinem elften Lebensjahr. Als meine Mutter Monsieur Ohrfeigengesicht kennengelernt hat und England verlassen wollte, hatten die Wächter natürlich etwas dagegen. Schließlich waren es nur noch ein paar Jahre bis zu meinem Initiationssprung und ich hatte noch so viel zu lernen.«
    »Und da hat deine Mutter dich alleingelassen?« Das hätte meine Mum niemals übers Herz gebracht, da war ich sicher.
    Gideon zuckte mit den Schultern. »Ich mag meinen Onkel, er ist in Ordnung, wenn er nicht gerade den Logen-Großmeister raushängen lässt. Er ist mir auf jeden Fall tausendmal lieber als mein sogenannter Stiefvater.«
    »Aber...«Ich traute mich beinahe nicht zu fragen und flüsterte deshalb. »Aber vermisst du sie denn nicht?«
    Wieder ein Schulterzucken. »Bis ich fünfzehn war und noch gefahrlos verreisen durfte, war ich in den Ferien immer dort zu Besuch. Und dann kommt meine Mutter ja auch mindestens zweimal im Jahr nach London, offiziell, um mich zu besuchen, in Wirklichkeit aber wohl eher, um Monsieur Bertelins Geld auszugeben. Sie hat ein Faible für Klamotten, Schuhe und antiken Schmuck. Und für makrobiotische Sterne-Restaurants.«
    Die Frau schien ja wirklich eine Bilderbuch-Mum zu sein. »Und dein Bruder?«
    »Raphael? Der ist mittlerweile ein richtiger Franzose. Er sagt
Papa
zum Ohrfeigengesicht und soll einmal das Platinen-Imperium übernehmen. Obwohl es im Augenblick so aussieht, als würde er nicht mal seinen Schulabschluss schaffen, der alte Faulpelz. Er beschäftigt sich lieber mit Mädchen anstatt mit seinen Büchern.« Gideon legte den Arm hinter mir auf die Rückenlehne und prompt reagierte meine Atemfrequenz. »Warum guckst du so schockiert? Tu ich dir jetzt etwa leid?«
    »Ein bisschen«, sagte ich ehrlich und dachte an den elfjährigen Jungen, der ganz allein in England hatte zurückbleiben müssen. Bei geheimnistuerischen Männern, die ihn dazu zwangen, Fechtunterricht zu nehmen und Violine zu spielen. Und
Polo!
»Falk ist doch nicht mal dein richtiger Onkel. Nur ein entfernter Verwandter.«
    Hinter uns hupte es wütend. Der Taxifahrer sah nur flüchtig hoch und setzte dann den Wagen in Bewegung, ohne sich groß von seiner Lektüre ablenken zu lassen. Ich hoffte nur, dass das Kapitel nicht allzu spannend war.
    Gideon schien gar nicht auf ihn zu achten. »Falk war zu mir immer wie ein Vater«, sagte er. Er lächelte mich schief von der Seite an. »Wirklich, du musst mich nicht ansehen, als wäre ich David Copperfield.«
    Wie bitte? Warum sollte ich denken, er sei David Copperfield?
    Gideon stöhnte. »Ich meine die Romanfigur von Charles Dickens, nicht den Zauberer. Liest du eigentlich ab und zu ein Buch?«
    Und da war er wieder, der alte, überhebliche Gideon. Mir hatte ja schon der Kopf geschwirrt vor lauter Freundlichkeit und Vertraulichkeiten. Seltsamerweise war ich beinahe erleichtert, das alte Ekelpaket zurückzuhaben. Ich setzte eine möglichst hochnäsige Miene auf und rückte etwas von ihm ab. »Ehrlich gesagt bevorzuge ich moderne Literatur.«
    »Ach ja?« Gideons Augen glitzerten amüsiert. »Was denn so, zum Beispiel?«
    Er konnte nicht wissen, dass meine Cousine Charlotte mir diese Frage jahrelang ebenfalls regelmäßig gestellt hatte, und zwar mit genau der gleichen Arroganz. Eigentlich las ich nicht mal wenig und hatte deshalb immer bereitwillig Auskunft gegeben, aber da Charlotte meine Lektüre stets verächtlich als »nicht anspruchsvoll« und »albernen Mädchenkram« abgetan hatte, war mir irgendwann der Kragen geplatzt und ich

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