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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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er spuckte einen Schwall Wasser über die Windschutzscheibe.
     
    Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel
    Und dringt durch alles sich.
    Sie ist ohn' Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel
    Und schlägt sie ewiglich.
     
    Matthias Claudius (1740-1815)
     

2
    Da staunst du aber, was?«, rief der kleine Wasserspeier. Seit ich aus dem Taxi gestiegen war, redete er unaufhörlich auf mich ein. »So einfach kann man unsereins nicht abschütteln.«
    »Ja, schon gut. Hör mal...« Ich schaute nervös zum Taxi zurück. Dem Taxifahrer hatte ich gesagt, ich müsse dringend an die frische Luft, weil mir schlecht war, und jetzt starrte er misstrauisch zu uns hinüber und wunderte sich, warum ich mit der Hauswand sprach. Von Gideon war noch nichts zu sehen.
    »Außerdem kann ich fliegen.« Zum Beweis fächerte der Wasserspeier seine Flügel auseinander. »Wie eine Fledermaus. Schneller als jedes Taxi.«
    »Jetzt hör doch mal: Nur, weil ich dich sehen kann, heißt das noch lange nicht. . .«
    »Sehen
und
hören!«, fiel mir der Wasserspeier ins Wort. »Weißt du, wie selten das ist? Die Letzte, die mich sehen und hören konnte, war Madame Tussaud und sie legte leider nicht besonders viel Wert auf meine Gesellschaft. Meistens hat sie mich mit Weihwasser beträufelt und gebetet. Die Ärmste war ein bisschen empfindlich.« Er rollte mit den Augen. »Du weißt schon: zu viele abgeschlagene Köpfe . . .« Wieder spuckte er einen Schwall Wasser aus, direkt vor meine Füße.
    »Hör auf damit!«
    »Entschuldige! Das ist nur die Aufregung. Kleine Erinnerung an meine Zeit als Regenrinne.«
    Ich hatte wenig Hoffnung, ihn wieder loszuwerden, aber ich wollte es zumindest versuchen. Auf die freundliche Tour. Also beugte ich mich zu ihm hinunter, bis unsere Augen auf einer Höhe waren. »Du bist bestimmt ein netter Kerl, aber du kannst unmöglich bei mir bleiben! Mein Leben ist schon kompliziert genug und ehrlich gesagt reichen mir die Geister, die ich kenne, vollkommen. Also bitte verschwinde einfach wieder.«
    »Ich bin kein Geist«, sagte der Wasserspeier beleidigt. »Ich bin ein Dämon. Oder vielmehr das, was von einem Dämon übrig geblieben ist.«
    »Wo ist denn da der Unterschied?«, rief ich verzweifelt. »Ich dürfte weder Geister noch Dämonen sehen, versteh das doch! Du musst wieder zu deiner Kirche zurück.«
    »Wo da der Unterschied ist? Also wirklich! Geister sind lediglich Abbilder verstorbener Menschen, die aus irgendeinem Grund diese Welt nicht verlassen wollen. Aber ich war ein Dämon, als ich noch gelebt habe. Du kannst mich doch nicht mit gewöhnlichen Geistern in einen Topf werfen. Im Übrigen ist das nicht weine
Kirche.
Ich häng da nur gern rum.«
    Der Taxifahrer starrte mich mit weit aufgesperrtem Mund an. Durch das offene Autofenster konnte er vermutlich jedes Wort hören - jedes
meiner
Worte.
    Ich rieb mir mit der Hand über die Stirn. »Mir egal. Auf jeden Fall kannst du nicht bei mir bleiben.«
    »Wovor hast du Angst?« Der Wasserspeier kam zutraulich näher und legte seinen Kopf schief. »Heutzutage wird niemand mehr als Hexe verbrannt, nur weil er etwas mehr sieht und weiß als gewöhnliche Menschen.«
    »Aber heutzutage wird jemand, der mit Geistern - äh, und Dämonen - redet, in die Psychiatrie eingeliefert«, sagte ich. »Verstehst du denn nicht, dass . . .« Ich brach ab. Es hatte doch keinen Zweck. Auf die freundliche Tour würde ich hier nicht weiterkommen. Deshalb runzelte ich die Stirn und sagte so barsch wie möglich: »Nur, weil ich das Pech habe, dich sehen zu können, hast du noch lange keinen Anspruch auf meine Gesellschaft.«
    Der Wasserspeier zeigte sich vollkommen unbeeindruckt. »Aber du auf meine, du Glückliche . . .«
    »Um es mal ganz klar zu sagen: Du störst! Also bitte, geh einfach!«, fauchte ich.
    »Nein, tu ich nicht! Du würdest es hinterher noch bereuen. Da kommt übrigens dein Knutschfreund zurück.« Er spitzte seine Lippen und machte laute Kussgeräusche.
    »Ach, halt den Mund.« Ich sah, wie Gideon mit großen Schritten um die Ecke bog. »Und hau endlich ab.« Letzteres zischte ich, ohne die Lippen zu bewegen, wie eine Bauchrednerin. Natürlich war der Wasserspeier davon nicht im Geringsten beeindruckt.
    »Nicht in dem Ton junge Dame!«, sagte er vergnügt. »Denk immer daran: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus.«
    Gideon war nicht allein, hinter ihm sah ich Mr Georges rundliche Gestalt heranschnaufen, er musste laufen, um mit Gideon

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