Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
unter meinen Füßen an.
Mit geschmeidigen Bewegungen betrachte ich mich in dem Spiegel und drehe mich immer wieder hin und her. Ein leiser Seufzer entfährt mir, als mein Blick auf meine blauen Augen fällt.
Blau. Anders. Abnormal.
Sofort werde ich in die Realität zurückbefördert. Jegliches Gefühl der Wärme verschwindet wie eine ferne Erinnerung und ich fühle mich aufs Neue ungeliebt.
Feuchte Tränen sammeln sich in meinen Augen und rinnen mein zu kantiges Gesicht hinab.
Obwohl ich sie wegwische, kommen immer neue. Meine Eltern haben mir nie das Gefühl gegeben, anders zu sein. Im Gegenteil: Sie haben sich immer bemüht, freundlich zu mir zu sein. Mich zu integrieren. Auch die anderen Ilyea in Cad’e sind nicht unhöflich zu mir. Und dennoch spüre ich, dass sie mich mit Skepsis betrachten. Meine Eltern hatten mir dieses Haus angeblich übergeben, weil ich weiter entwickelt bin, als die anderen in meinem Alter. Mein Herz weiß aber, dass das eine Lüge war und noch immer ist. Langsam versiegen meine Tränen und ich kann mich wieder beruhigen.
Heute Abend werde ich wie ein strahlender Stern am Himmel leuchten. Zumindest heute Abend.
Automatisch hatten meine Füße mich zum Fenster getragen, aus dem ich nun aufgeregt sehe.
Die Sterne strahlen leuchtend am Himmel und ein silberner Vollmond erhellt unser kleines Dorf. Aufgeregt strömen die Ilyea aus ihren Häusern und sammeln sich in der Mitte bei unserem Feuerplatz. Ich beobachte all dies nervös und mit einem Kribbeln im Bauch.
Das neue Kleid schmiegt sich an mich und Schweißtropfen laufen über meinen Körper. Als der Ilyeakönig den riesigen Holzstapel anzündet, weiß ich, dass es Zeit ist, zu gehen.
Nervös streife ich mir noch ein paar Ledersandalen über und schleiche die Holztreppe nach unten, welche kunstvoll um den Stamm meines Wohnbaumes herum gewachsen ist. Der Weg erscheint mir unbeschreiblich lang und doch stehe ich viel zu früh in der Gruppe der anderen Ilyea, welche heute in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden.
Sie alle haben unterschiedliche Haarfarben. Braun, schwarz, grün. Doch eins haben alle gemeinsam: Die Augen. Mandelförmig, grün und von unbesc hreiblicher Intensität. Nur meine blauen Augen stechen hervor, wie ein glitzernder Saphir auf einem Moosbett.
Ich schlucke meine Nervosität hinunter und ordne mich gehorsam in die lange Reihe der Ilyea ein. Sie flüstern aufgeregt miteinander, nur mit mir redet niemand. Einsam stehe ich dort, in der Reihe der noch unerwachsenen Ilyea.
Auf einmal erhebt sich eine sanfte Melodie über das allgemeine Gemurmel und die Ilyea verstummen. Die Töne schweben mystisch durch den Wald und zaubern sogar mir ein Lächeln aufs Gesicht. Meine Augen brauchen nicht nach der Quelle dieses wunderbaren Liedes suchen, denn ich weiß, wer es ist.
Alriel, die Dorfälteste. Mit ihrer Stimme hat sie es schon immer geschafft, mich zu verzaubern. Und nicht nur ich trage ein glückliches Lächeln auf dem Gesicht, sondern alle Ilyea.
Die alte Ilyea schreitet in die Mitte des Dorfplatzes und wird von den Flammen in warmes Licht getaucht. Sie ist die Einzige, die es schafft, mir den Glauben an Magie zu vermitteln. An die Magie der Stimme. Das Licht des Feuers färbt ihr weißes Gewand golden und auch ihre aschblonden Haare schimmern nun in der Farbe des edlen Metalls. Sie ist die einzige Ilyea unserer Gemeinde, in deren Gesicht man die Spuren der Zeit nachlesen kann. Kleine Falten zieren ihre Augenwinkel, doch lässt sie dies nur noch sympathischer, reifer und ehrwürdiger erscheinen. Als sie ihren Mund schließt, schweben die magischen Töne noch einige Momente in der Luft, ehe sich vollkommene Stille über Cad’e legt. Selbst der Wald schweigt und lauscht Alriels Worten:
„In dieser heiligen Nacht heiße ich euch Willkommen, Töchter und Söhne des Waldes. Unser Treffen findet aus besonderem Anlass statt.“
Ihre smaragdgrünen Augen brennen sich für Sekundenbruchteile in meine, ehe sie der Reihe nach die anderen Ilyea betrachtet.
„Diese jungen Ilyea“, sie macht eine ausladende Handbewegung in unsere Richtung und lächelt freundlich „werden heute Nacht ein vollwertiger Teil unserer Gemeinde.“
Für wenige Augenblicke schweigt Alriel und lässt die Worte in der Luft schweben, dann bedeutet sie der ersten Ilyea in der Reihe, nach vorne zu treten.
Keona ist ein schüchternes Mädchen und doch folgt sie der Aufforderung ohne Zögern. Ihre etwas zu weit auseinanderstehenden Augen
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