Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
holen. Nicht weglaufen!“
Über seinen eigenen schlechten Witz grunzend lachend verschwindet er durch die Tür. Sobald sie sich geschlossen hat, falle ich Alriel in die Arme.
„Es tut mir so leid! Ich wollte nicht, dass er dir wehtut... Ich weiß nicht, wieso ich ihm ins Gesicht gespuckt habe, ich...“
„Sei still“, unterbricht sie mich, „dich trifft keine Schuld. Sie hätten mich gefoltert, dass du ihn beleidigt hast, spielt dabei keine Rolle. Ich möchte, dass du mir zuhörst, denn wir haben nicht lange Zeit. Der Ring darf niemals in ihre Hände fallen, verstehst du? Ich verrate dir nicht, wo er ist, doch wenn du auf den Ring und sein Lied hörst, wirst du ihn finden. Wenn ich es dir jetzt verrate, ist die Gefahr zu groß, dass du es ihnen verrätst. Verzeih mein Misstrauen, aber ich weiß, dass sie mir nun gleich grausame Dinge antun werden. Deshalb...“
Sie holt tief Luft.
„Werde ich mir meine Zunge abbeißen müssen, damit ich nichts sage. Sicher ist sicher.“
Mein Mund klappt auf und ich sehe sie ungläubig an.
„Alriel, nein...“
Tränen treten in meine Augen.
„Bitte nicht.“
„Es geht nicht anders und das weißt du auch. Ilyea machen merkwürdige Dinge, wenn sie Schmerzen erleiden. Ich werde keine Kontrolle mehr über mich und meine Zunge haben. Deswegen muss das sein. Meine Verpflichtung als Dorfälteste und Bewahrerin des Smaragdringes verlangt danach. Versprich mir nur eins, Niamh: Egal, was sie mir antun, vergiss es, sieh nicht hin. Dich trifft keine Schuld. Verbünde dich niemals mit ihnen. Sie sind gerissen, hinterlistig. Vertraue nur dir selbst.“
„Aber...“
Energisch legt sie ihre Hände auf meine Schultern.
„Versprich es mir, Niamh!“
Ihre grünen Augen sehen mich eindringlich an.
„Ich... Verspreche es.“
Ein leise gehauchtes „Danke“ ist das letzte Wort, das jemals über Alriels Lippen kommen wird. Ihre starken Hände drehen meinen Kopf und ich starre mit tränenverschleiertem Blick gegen die Wand. Neben mir erklingt ein ersticktes Keuchen gefolgt von einem hilflosen Gurgeln, das meine Eingeweide verkrampfen lässt. Alriels Finger krallen sich in meinen Oberarm, doch plötzlich lässt der Druck nach und sie fällt kraftlos mit einem stumpfen Knall auf den Boden.
Mein Innerstes weigert sich, sie anzusehen, aber die Ehre gebietet es und so werfe ich ihr einen kurzen Blick zu. Auf der Seite liegt Alriel da, ihr kalkweißes Gesicht mir zugewandt, den Mund leicht geöffnet. Aus ihm läuft ein dünnes Rinnsal Blut. Übelkeit überwältigt mich und ich erbreche mich auf den grauen Metallboden.
Plötzlich fängt Alriel an zu husten, bäumt sich auf und spuckt ein Stück rotes Fleisch aus. Ihre Zunge. Leblos und blutig liegt es direkt neben ihrem Gesicht, ihr Atem geht schwer. Unwillkürlich schlinge ich meine Arme um mich und schließe die Augen.
Die Tür öffnet sich und schwere Schritte kommen näher. Müde blicke ich ihm entgegen, während er eine Tasche voller Foltergeräte zu uns trägt. Mir ist schwindelig und übel.
„Ich bin zurück, Saphiräuglein. Wir können spielen, Alte.“
Als er Alriel ohnmächtig und keuchend im Käfig liegen sieht, tritt ein Ausdruck des Entsetzens in seine sonst so kalten Augen. Aber als er ihre Zunge erkennt, färbt sich sein Gesicht rot vor Wut.
„Das kann doch nicht wahr sein!“
Die Stofftasche voller metallener Gegenstände poltert zu Boden und der Mensch rennt aufgeregt hin und her. Sein Gefluche verschlimmert meine Kopfschmerzen um ein Vielfaches und ich schließe erneut die Augen, versuche, ihn auszublenden. Vergeblich.
„Wie soll ich denn j etzt was aus dir rausbekommen, hm?“
Ein Donnerschlag trifft unser Gefängnis und bringt es zum Beben. Auf einmal ist mir kalt und ich zittere.
„Lass es ein böser Traum sein“, murmele ich leise.
„Ich hätte dich nicht aus den Augen lassen dürfen, du altes Stück Ilyeafleisch.“
„Das reicht.“
Erschrocken zucke ich zusammen und reiße schlagartig die Augen auf. Eine in Schwarz gehüllte Figur lehnt lässig am Türrahmen, ihre Stimme ist heiß wie Feuer und gleichzeitig kalt wie Eis. Neben dem massigen Dämon wirkt der Neuankömmling groß und schlank. Während er näher kommt, starre ich ihn an wie ein Tier in der Falle. Seine Bewegungen erinnern mich an einen Wolf auf der Jagd. Anmutig, geschmeidig, gefährlich.
Schwarz behandschuhte Hände gleiten beinahe liebevoll über die Gitterstäbe.
„Lass sie raus.“
„Aber Herr...“
„Ich sagte, lass
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