Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
blinzle vorsichtig und blicke in verständnisvolle, smaragdgrüne Augen.
„Alriel“, formt mein Mund die Silben ihres Namens, ohne dass ein Ton meine Lippen verlässt. Die Dorfälteste nickt und streicht sanft über mein Haar. Ihre zarte Berührung jagt einen wohligen Schauer über meinen Rücken.
„Alles wird gut“, antwortet sie ebenso lautlos, doch ich benötige keine Worte, um sie zu verstehen. Vorsichtig setze ich mich auf und falle irritiert zurück, als meine Welt plötzlich ins Wanken gerät.
„Nicht so wild, Goldvögelchen, sonst fällt dein Käfig noch runter. Wäre schade drum. Ich steh nicht so auf Matschfleisch.“
Wieder dieses ekelhafte Grunzen. Langsam kommt mir der Verdacht, dass dieses Geräusch der verzweifelte Versuch ist, zu lachen.
„Wer seid Ihr?“, frage ich, obwohl Alriels Augen mir im gleichen Moment bedeuten, zu schweigen.
„Warum so freundlich, Goldvögelchen? Ich würde dich am liebsten verspeisen, also erspar mir dieses ilyeaische Höflichkeitsgesülze.“
Ein Schatten an der Wand, welche nur durch diffuses Fackellicht ausgeleuchtet ist, kommt in Bewegung und als mein Blick nach unten wandert, sehe ich einen fettleibigen, behaarten Menschen lächelnd nach oben blicken. Alriel und ich sitzen in einem Käfig, der mit Metallboden, Metalldecke, sowie Gitterstäben ausgestattet ist und schweben ungefähr zwei Meter in der Luft.
„Ich bin ein Mensch. Oder ich stecke zumindest in einem drinnen.“
Seine massigen Pranken schlagen auf den von einem einfachen, ehemals wohl weißen Leinenhemd bedeckten Bauch und setzen die Fettmassen so in eine unfreiwillige Bewegung. Gleichzeitig öffnen sich die wulstigen Lippen und das mir schon bekannte Grunzen ertönt.
„Dieser Wirt hier ist vielleicht nicht besonders ansehnlich, aber sein Herz war so schwarz und böse, dass es für mich ein leichtes war, ihn zu besetzen.“
Der beleibte Kerl bewegt sich wenige Schritte nach links und lässt sich auf einen Stuhl fallen, von dem ich erwarte, dass er im nächsten Moment unter der gewaltigen Last zusammenbricht.
„Hat seine Frau geschlagen, seine Tochter vergewaltigt. Und so weiter.“
Kleine, schwarze Augen betrachten Hände, deren Finger fünfmal so dick wie meine sind und der Mensch lacht erneut freudlos vor sich hin.
„Ist zwar schön brav zum Beten gegangen, der Gute, aber die Göttin ist machtlos, wie wir ja wissen. Oh, was diese Hände nicht schon alles angestellt haben. Der schönste Augenblick war, als ich seine Frau erwürgte, mit eben seinen Händen und der arme Kerl nur zusehen konnte. Ich spürte, dass er erregt war, er fand es aufregend und war sicherlich neidisch, dass ich in diesem Moment Kontrolle über seinen Körper hatte. Aber egal. Mittlerweile ist der Kerl ganz brav geworden. Irgendwie still und leblos...“
Der Blick des Mannes ist verklärt, während er weiter davon erzählt, wie gefügig der Mensch ist. Mein Verstand versucht zu verstehen, was meine innerste Furcht längst begriffen hat: Alriel und ich stehen einem Dämonen gegenüber.
Während seinen Ausführungen war die Dorfälteste still gewesen, als habe sie das alles schon einmal gehört. Doch als mein Blick zu ihr wandert, sehe ich stille Tränen der Verzweiflung über ihre Wangen laufen. Unwillkürlich legt sich meine Hand auf ihr Knie. Ich hoffe, dass mein Blick ihr Vertrauen und Zuversicht vermittelt, obwohl mein Herz wie ein gefangener Vogel aufgeregt flattert und jeder Muskel meines Körpers bis zum Äußersten angespannt ist.
„Verstehste? Ich musste also nicht weiter tun, als...“
Noch ehe der Dämon seine Ausführungen zu Ende bringen kann, öffnet sich eine Tür, die ich bis eben nicht bemerkt habe, obwohl sie direkt in meinem Sichtfeld liegt. Eine gebückte Gestalt betritt humpelnd den Raum, in der rechten Hand eine Laterne haltend, sich mit der linken auf einem Stock abstützend.
„Ich hoffe, du hast unsere Gäste gut unterhalten?“
Die Stimme dringt in meinen Kopf und mein kompletter Körper fängt an zu zittern. Sie klingt, als würde man zwei Steine gegeneinander schlagen, scharrend, mit einem harten Unterton und unerbittlich. Dass diese Kreatur mit höchster Vorsicht zu behandeln ist, wird mir außerdem klar, als ich den fetten Mann erbleichen sehe. Seine aufgedunsene Figur lehnt sich nach vorne und deutet eine Verbeugung an, der jedoch die Fettmassen des Bauches im Wege stehen, sodass es eher wie ein übereifriges Nicken wirkt.
„Natürlich. Natürlich.“
Seine Worte
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