Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
ich den Kloß in meinem Hals herunter. Selbst wenn ich es ihnen verraten wollen würde, wäre es mir nicht möglich.
Dass die schwarzverhüllte Gestalt mich gerade zu meiner eigenen Hinrichtung trägt und ich nichts dagegen unternehmen kann, wird mir immer bewusster und mein Körper weigert sich mit allen Mitteln. Unkontrolliert zucken meine Muskeln, wollen sich meine Beine und Arme bewegen, doch der Fremde hält mich fest, sodass alle Anstrengungen fruchtlos bleiben.
Unverändert schreitet der Dämon einen spärlich ausgeleuchteten Gang entlang, dessen Wände aus grob gehauenen Stein bestehen. Bizarre Schatten wandern über den grauen Fels, scheinen nach mir zu greifen, werden vom Licht der wenigen Fackeln zurückgedrängt und bleiben diffuse Gestalten, die allein meine Gedanken, jedoch nicht meinen Körper bedrohen können.
„Wir sind gleich da.“
Beruhigend ausgesprochene Worte, die trotz ihres liebevollen Tonfalls erneut eine Panikattacke in mir auslösen. Ich will leben. Plötzlich erscheint mir sogar das Anbeten der Natur als eine Banalität, die ich gerne in Kauf nehmen würde, um zurück zu können. Zwar würde ich eine Ausgestoßene sein, doch ich könnte weiterhin warmes Sonnenlicht auf meinem Gesicht und eine kühlende Brise im Haar spüren. In einem Anflug von Verzweiflung und Hilflosigkeit schließe ich die Augen und wünsche mich sehnlichst zurück zur Zeremonie.
Möglicherweise bin ich während dem Ritual vor Nervosität umgekippt und werde gleich den besorgten Augen Alriels entgegenblicken, die sich über mich beugt. Ich schlage die Augen auf: Schwarz, Grau, durchbrochen von orangegelb zuckendem Licht. Noch immer merkwürdig warmer Stoff auf meiner nackten Haut. In diesem Moment verfluche ich das kurzgeschnittene Kleid, das meine Mutter eigenhändig für mich gefertigt hat, da es keinerlei Schutz bietet.
„Lächerlich, Niamh. Selbst, wenn deine Beine und Arme bedeckt wären, könnte es dich nicht vor dem Tod bewahren.“
Widerwillig gebe ich dem gehässigen Gedanken Recht. Nichts kann mich jetzt noch retten.
Abrupt bleibt mein T räger stehen, wendet sich nach links und tritt mit einem Fuß unwirsch gegen eine Holztür, die Sekunden später aufschwingt.
„Schön, dich zu sehen, Edan.“
Meine feinen Nackenhaare stellen sich auf, als ich die Stimme des ersten Dämons wieder erkenne. Rau und unmelodisch, jedoch mit dem unwirklichen Hauch eines Lächelns.
„Es kam etwas dazwischen. Merkwürdig, da deine Leute so gut ausgebildet sind und gewissenhaft arbeiten.“
Ein wütendes Zischen ertönt, gefolgt von einem kratzigen Lachen.
„Nicht alle, die in diesen Höhlen hausen, sind von mir ausgebildet worden.“
„Natürlich, wie konnte ich das vergessen? Aber was geschehen ist, ist geschehen, Deargh. Sag mir nur, wie wir dieses Problem nun lösen.“
„I... Ich bin kein Problem“, flüstere ich tonlos und sehe verzweifelt in den tiefschwarzen Ausschnitt der Kapuze, dorthin, wo ich seine Augen vermute.
„Das bist du wirklich nicht, Hübsche. Keine Sorge.“
Seine behandschuhte Hand streicht sanft über meine Schulter.
„Genau genommen bist du sogar die Lösung aller Probleme.“
„Deargh, halt dich zurück.“
Edans Stimme klingt eiskalt und autoritär, während er den anderen Dämon in seine Schranken weist.
„Aber... Bitte, ich will zurück zu meiner Familie.“
Unwillkürlich schluchze ich auf und zittere.
„Die gibt es nicht mehr“, antwortet Deargh gehässig und dieses Mal erklingt ein Geräusch, das als Lachen erkannt werden könnte.
„Genug!“, schreit Edan und ich spüre, dass er vor Wut bebt. Er brüllt noch weiter, doch ich höre ihn kaum. Ein dumpfes Rauschen liegt über jedem Geräusch, der graue Stein um mich herum wird dunkler, verliert an Kontur.
„Tot?“
Das Wort verlässt meine Lippen, schwebt über mir in der Luft. Rot, schwer, verräterisch. Langsam sinkt es auf mich nieder, legt sich auf meinen Brustkorb, schwillt zu einer unglaublichen Masse an und drückt mich nach unten. Doch ich falle nicht. Edan hält mich weiterhin fest umklammert, als würde er die Last weder sehen noch spüren.
Kraftlos liege ich da, merke, dass mein Atem schwerer wird. Ich habe mich nicht einmal von ihnen verabschieden können. Kein tröstendes Wort. Nie habe ich ihnen gesagt, wie sehr ich sie liebe, aus Angst, dass sie diese Gefühle nicht erwidern würden. Nun ist es zu spät. Sie sind weg, verloren. Eins mit der Natur, wie Alriel sagen würde.
„Alriel.“
Erneut
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