Sara
Ihres Hauses zu kümmern, ja? Das freut mich zu hören. Er hat ein altes Foto von ihnen gefunden, das ist dort drin. Er glaubte, daß es 1900 auf dem Jahrmarkt in Fryeburg aufgenommen wurde. Ed pflegte zu sagen, er würde viel dafür geben, um eine Schallplatte dieser Bande zu hören.«
»Ich auch, aber es sind keine gemacht worden.« Plötzlich fiel mir ein Haiku des griechischen Dichters Georgios Seferis ein: Sind das die Stimmen unsrer Toten/oder nur das Grammophon? »Was ist aus Mr. Osteen geworden? Ich kann mich nicht an den Namen erinnern.«
»Starb ein oder zwei Jahre bevor Sie und Jo das Haus am See gekauft haben«, sagte sie. »Krebs.«
»Sie sagten, es gibt zwei Geschichtsbücher?«
»Das andere kennen Sie wahrscheinlich - Eine Geschichte von Castle County und Castle Rock . Wurde zur Hundertjahrfeier des County geschrieben und ist staubtrocken. Eddie Osteens Buch ist nicht sehr gut geschrieben, aber trocken war er nicht. Das muß man ihm lassen. Sie sollten beide da drüben finden.« Sie zeigte zu Regalen mit einem Schild, auf dem Stand MAINE-REGIONAL. »Sie werden nicht ausgeliehen.« Dann strahlte sie. »Aber wir nehmen mit Freuden jeden Nickel, die Sie in unsere Fotokopiermaschine stecken möchten.«
Mattie saß in der gegenüberliegenden Ecke neben einem Jungen, der seine Baseballmütze verkehrt herum trug, und zeigte ihm, wie man das Mikrofiche-Lesegerät bediente. Sie sah zu mir auf, lächelte und formte mit dem Mund die Worte Guter Fang . Vermutlich meinte sie den hohen Ball, den ich bei Warrington’s so glücklich erwischt hatte. Ich zuckte bescheiden die Achseln, bevor ich mich dem Regal mit MAINE-REGIO-NALIA zuwandte. Aber sie hatte recht - glücklich oder nicht, es war ein guter Fang gewesen.
»Wonach suchen Sie?«
Ich war so in die beiden Geschichtsbücher vertieft, daß ich zusammenzuckte, als ich Matties Stimme hörte. Ich drehte mich um, lächelte und merkte als erstes, daß sie ein schwaches Parfum aufgelegt hatte, und zweitens, daß Lindy Briggs uns vom Tresen beobachtete und ihr herzliches Lächeln verschwunden war.
»Hintergrundwissen über die Gegend, wo ich lebe«, sagte ich. »Alte Geschichten. Meine Haushälterin hat mich dafür interessiert.« Dann, mit gedämpfter Stimme: »Die Lehrerin sieht zu. Nicht umdrehen.«
Mattie sah verblüfft aus - und, fand ich, ein bißchen beunruhigt. Wie sich herausstellte, hatte sie allen Grund, beunruhigt zu sein. Mit einer Stimme, die verhalten war, aber dennoch bis zum Tresen gehört werden konnte, fragte sie, ob sie die beiden Bücher für mich wegräumen konnte. Ich gab ihr beide. Als sie sie nahm sagte sie in einem fast verschwörerischen Flüstern: »Der Anwalt, der Sie am letzten Freitag vertreten hat, hat John einen Privatdetektiv empfohlen. Er sagt, daß er möglicherweise etwas Interessantes über den Vormund ad litem herausgefunden hat.«
Ich ging mit ihr zum Regal der MAINE-REGIONAL, hoffte, daß ich sie damit nicht in Schwierigkeiten bringen würde, und fragte sie, ob sie wüßte, was dieses Interessante sein konnte. Sie schüttelte den Kopf, schenkte mir ein professionelles knappes Bibliothekarinnenlächeln, und ich verabschiedete mich.
Auf der Heimfahrt versuchte ich darüber nachzudenken, was ich herausgefunden hatte, aber viel war es nicht. Osteen war ein schlechter Schriftsteller, der schlechte Bilder gemacht hatte, und seine Geschichten waren zwar voll Lokalkolorit, aber im Grunde ziemlich dünn. Er erwähnte Sara and the Red-Tops durchaus, bezeichnete sie aber als ein ›Dixieland-Oktett‹, und selbst ich wußte, daß das nicht stimmte. Die Red-Tops hatten vielleicht Dixieland gespielt, waren aber in erster Linie eine Bluesband (Freitag und Samstag abends) und eine Gospelgruppe (Sonntag vormittags) gewesen. Osteens zweiseitige Zusammenfassung des Aufenthalts der Red-Tops im TR machte deutlich, daß er keine Coverversionen von Saras Liedern durch andere Interpreten gehört hatte.
Er bestätigte, daß ein Kind an Blutvergiftung durch die Verletzung in einer Bärenfalle gestorben war, eine Geschichte, die sich nach der von Brenda Meserve anhörte … aber warum auch nicht? Osteen hatte sie wahrscheinlich von Mrs. M.s Vater oder Großvater gehört. Er schrieb auch, daß der Junge Son Tidwells einziges Kind war und der wirkliche Name des Gitarristen Reginald Tidwell gelautet hatte. Die Tidwells waren angeblich aus dem Bordellbezirk von New Orleans - den legendären Crib-and-Club -Straßen, die um die Jahrhundertwende
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