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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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beängstigend und beruhigend zugleich fand. »Elmer Durgin hat seit Ende Mai folgendes gemacht: sein Auto abbezahlt; sein Ferienhaus in Rangely Lakes abbezahlt; Alimente für neunzig Jahre nachbezahlt -«
    »Niemand zahlt neunzig Jahre Alimente für ein Kind«, sagte ich, aber ich plapperte nur, um mich reden zu hören … ehrlich gesagt, um ein bißchen von meiner eigenen wachsenden Erregung abzulassen. »Is nich möglich, McGee.«
    »Das ist es schon, wenn man sieben Kinder hat«, sagte John und heulte vor Lachen.
    Ich dachte an das feiste, selbstgefällige Gesicht, den Schmollmund, die Nägel, die poliert und weibisch aussahen. »Hat er nicht «, sagte ich.
    »Hat er doch« , sagte John immer noch lachend. Er hörte sich wie ein vollkommen Irrer an - manisch, ohne das depressiv. »Wirklich! Im Alter zwischen vierzehn und dr-dr- drei! Was für einen emsigen, po-po-potenten kleinen Pi-pi-pimmel er doch haben muß!« Weitere hilflose Lachsalven. Und inzwischen wieherte ich mit ihm - ich hatte mich angesteckt wie mit Mumps. »Kennedy wird mir Bi-bilder der ganzen … Fam-familie fa-fa-faxen!« Wir rasteten völlig aus und lachten gemeinsam per Ferngespräch. Ich konnte mir John Storrow vorstellen, wie er allein in seinem Büro in der Park Avenue saß, wie ein Geistesgestörter heulte und die Putzfrauen erschreckte.
    »Aber darauf kommt es nicht an«, sagte er, als er wieder zusammenhängend reden konnte. »Sie sehen aber, worauf es ankommt, richtig?«
    »Ja«, sagte ich. »Wie konnte er so dumm sein?« Ich meinte Durgin, aber auch Devore. Ich glaube, John begriff, daß mit ›er‹ beide gemeint waren.
    »Elmer Durgin ist ein kleiner Anwalt aus einem kleinen Kaff im großen Wald des westlichen Maine, das ist alles. Wie konnte er wissen, daß ein Schutzengel daherkommen würde, der die Mittel besitzt, ihn auszuräuchern? Übrigens hat er auch ein Boot gekauft. Vor zwei Wochen. Zwei Außenbordmotoren. Großes Ding. Es ist vorbei, Mike. Die Heim-Mannschaft
erzielt neun Runs in der zweiten Hälfte des neunten Innings , und der verdammte Wimpel gehört uns .«
    »Wenn Sie meinen.« Aber meine Hand begab sich aus freien Stücken auf eine Expedition, bildete eine lose Faust und klopfte auf das gute, solide Holz des Beistelltischs.
    »Und, he, das Softballspiel war auch kein völliger Schuß in den Ofen.« John redete immer noch zwischen kurzen Anfällen von Kichern, die wie Heliumballons waren.
    »Nein?«
    »Ich bin in sie verschossen.«
    »Sie?«
    »Mattie«, sagte er geduldig. »Mattie Devore.« Eine Pause, dann: »Mike? Sind Sie noch da?«
    »Ja«, sagte ich. »Der Hörer ist abgerutscht. Entschuldigung.« Der Hörer war keinen Zentimeter gerutscht, aber ich dachte, daß es sich ganz normal anhörte. Und wenn nicht, na und? Wenn es um Mattie ging, fiel keinerlei Verdacht auf mich. Wie beim Hauspersonal in einem Roman von Agatha Christie. Er war achtundzwanzig, vielleicht dreißig. Der Gedanke, daß ein zwölf Jahre älterer Mann sich sexuell zu Mattie hingezogen fühlen könnte, war ihm wahrscheinlich nie gekommen … vielleicht eine oder zwei Sekunden im Stadtpark, bevor er die Vorstellung als lächerlich abgetan hatte. So, wie Mattie selbst die Vorstellung von Jo und dem Mann in der braunen Sportjacke abgetan hatte.
    »Ich kann ihr nicht den Hof machen, solange ich sie vertrete«, sagte er. »Wäre gegen die Standesrichtlinien. Wäre auch nicht sicher. Aber später … man kann nie wissen.«
    »Nein«, sagte ich und hörte meine Stimme, wie es manchmal ist, wenn man völlig überrumpelt wird, als wäre es die Stimme eines anderen. Vielleicht von jemandem im Radio oder auf dem Tonband. Sind dies die Stimmen unsrer Toten oder nur das Grammophon? Ich dachte an seine Hände, die langen und schlanken Finger ohne Ring. Wie Saras Hände auf dem alten Foto. »Man kann nie wissen.«
    Wir verabschiedeten uns, und ich verfolgte weiter das stumme Baseballspiel. Ich überlegte mir, ob ich aufstehen und ein Bier holen sollte, aber es schien mir zu weit bis zum Kühlschrank
zu sein - eine regelrechte Safari. Ich verspürte eine Art von dumpfem Schmerz, gefolgt von einer besseren Empfindung: wehmütige Erleichterung, könnte man wohl sagen. War er zu alt für sie? Nein, das glaubte ich nicht. Fast genau richtig. Märchenprinz Nr. 2, diesmal im dreiteiligen Anzug. Matties Glück mit Männern wandelte sich vielleicht, und wenn ja, sollte ich mich freuen. Ich würde mich freuen. Und erleichtert sein. Weil ich ein Buch zu schreiben und

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