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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihnen Bridge gespielt. Nette Leute, aber wahrscheinlich nicht das, was Mrs. M. mit ihrem seltsamen Hinterwäldlersnobismus ›fein‹ genannt hätte. Ihr Haus lag vielleicht eine Achtelmeile nördlich von meinem an der Straße . Danach kommt nicht mehr viel - der Hang zum See wird steil, der Wald bildet ein dichtes Gewirr von Unterholz und Brombeerstauden. Die Straße führt weiter bis zur Spitze der Halo Bay am äußersten nördlichen Ende von Dark Score, aber nach der Stelle, wo der Weg zweiundvierzig die Kurve zum Highway
zurück macht, wird er überwiegend im Sommer von Beerenpflückern und im Herbst von Jägern benutzt.
    Normal, dachte ich. Teuflischer Name für einen Mann, der seinen neugeborenen Sohn unter der Pumpe im Hof ertränkt hatte.
    »Hat er eine Nachricht hinterlassen? Irgendeine Erklärung?«
    »Nee. Aber die Leute sagen, daß er auch am See spukt. Kleinstädte sind wahrscheinlich voller Gespenster, aber ich selbst könnte nicht ja, nein oder vielleicht sagen; ich bin nicht der empfängliche Typ. Über Ihr Haus, Mr. Noonan, weiß ich nur, daß es feucht riecht, wie sehr ich es auch lüfte. Könnte mir denken, daß das an den Stämmen liegt. Blockhütten vertragen sich nicht gut mit Seen. Die Feuchtigkeit zieht ins Holz ein.«
    Sie hatte die Handtasche zwischen ihre Reeboks gestellt; nun bückte sie sich und hob sie auf. Es war die Tasche einer Frau vom Land, schwarz, schmucklos (abgesehen von den Messingringen, an denen der Griff befestigt war) und zweckdienlich. Sie hätte eine ganze Reihe von Haushaltskram darin transportieren können, wenn sie gewollt hätte.
    »Aber ich kann nicht den ganzen Tag hier stehen und schwatzen, sosehr ich es möchte. Ich hab’ noch ein Haus zu besuchen, bevor ich Feierabend machen kann. Sommer ist in diesem Teil der Welt Erntezeit, wissen Sie. Und vergessen Sie nicht, die Sachen reinzuholen, bevor es dunkel wird, Mr. Noonan. Damit sie nicht den ganzen Tau abkriegen.«
    »Bestimmt nicht.« Und ich vergaß es auch nicht. Aber als ich in der Badehose hinausging, um sie reinzuholen, schweißgebadet von dem Backofen, in dem ich gearbeitet hatte (ich mußte die Klimaanlage reparieren lassen, ich mußte es einfach), sah ich, daß etwas Mrs. M.s Anordnung verändert hatte. Nun hingen meine Jeans und Hemden um die Stange herum. Unterwäsche und Socken, die züchtig verborgen gewesen waren, als Mrs. M mit ihrem alten Ford die Einfahrt hochfuhr, waren nun außen. Es war, als wollte mein unsichtbarer Gast - einer meiner unsichtbaren Gäste - ha ha ha sagen.
     
    Am nächsten Tag ging ich in die Bibliothek und erneuerte als allererstes meinen Bibliotheksausweis. Lindy Briggs persönlich
nahm meine vier Scheine entgegen und gab meinen Namen in den Computer ein, nachdem sie mir erzählt hatte, wie traurig sie gewesen war, als sie von Jos Tod erfuhr. Und wie bei Bill hörte ich einen leicht vorwurfsvollen Unterton in der Stimme, als wäre ich dafür verantwortlich, daß sie ihr Beileid so ungebührlich spät zum Ausdruck bringen konnte. Wahrscheinlich war ich es.
    »Lindy, haben Sie eine Geschichte der Stadt?« fragte ich, als wir die notwendigen Förmlichkeiten meine Frau betreffend hinter uns gebracht hatten.
    »Wir haben zwei«, sagte sie und beugte sich über den Tresen zu mir, eine kleine Frau in einem grell gemusterten ärmellosen Kleid, graues Haar wie ein Mop um den Kopf, klare Augen, die hinter ihrer Bifokalbrille schwammen. Mit vertraulicher Stimme fügte sie hinzu: »Beide sind nicht besonders gut.«
    »Welche ist besser?« fragte ich im selben Tonfall.
    »Wahrscheinlich die von Edward Osteen. Er war bis Mitte der fünfziger Jahre Sommergast und lebte ganz hier, als er pensioniert war. Er schrieb Tage am Dark Score 1965 oder’66. Er ließ es privat drucken, weil er keinen Verlag finden konnte, der es nehmen wollte. Sogar die regionalen Verlage haben abgewinkt.« Sie seufzte. »Die Einheimischen haben es gekauft, aber das macht nicht viele Bücher, nicht?«
    »Nein, ich denke nicht«, sagte ich.
    »Er war einfach kein guter Autor. Und auch kein guter Fotograf - bei diesen kleinen Schwarzweiß-Schnappschüssen von ihm tun mir die Augen weh. Aber er erzählt ein paar gute Geschichten. Die Vertreibung der Micmac, General Wings Dressurpferd, der Wirbelsturm in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die Brände in den dreißiger Jahren …«
    »Etwas über Sara and the Red-Tops?«
    Sie nickte lächelnd. »Sie sind schließlich doch dazu gekommen, sich um die Geschichte

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