Sara
niedriges Gras. Nach einigen verpatzten Fangversuchen warf Mattie ihre Partyschuhe von sich, rannte barfuß in den Wohnwagen, und kam in ihren Turnschuhen zurück. Danach war sie viel besser.
Wir warfen das Frisbee, riefen einander Beleidigungen zu, tranken Bier, lachten viel. Ki fing nicht besonders gut, hatte aber für ein dreijähriges Kind einen phänomenalen Wurfarm und spielte mit Hingabe. Rommie hatte den Gettoblaster auf die hintere Treppe des Wohnwagens gestellt, wo wir eine endlose Folge von Musik der späten achtziger und frühen neunziger Jahre zu hören bekamen: U2, Tears for Fears, Eurhythmics, Crowded House, A Flock of Seagulls, Ah-Hah, die Bangles, Melissa Etheridge, Huey Lewis and the News. Mir kam es vor, als würde ich jedes Stück und jedes Riff kennen.
Wir schwitzten und sprinteten in der Nachmittagssonne. Wir bewunderten Matties lange braune Beine und hörten die hellen Lachsalven von Kyra. Einmal hechtete Rommie Bissonette nach dem Frisbee, so daß ihm das gesamte Kleingeld aus
der Tasche fiel, und John lachte, bis er sich setzen mußte. Tränen liefen ihm aus den Augen. Ki rannte zu ihm und ließ sich auf seinen schutzlosen Schoß fallen. John hörte schlagartig auf zu lachen. »Ufff!« rief er und sah mich mit glänzenden, gequälten Augen an, während seine gequetschten Hoden zweifellos versuchten, in seinen Unterleib zu kriechen.
»Kyra Devore! « rief Mattie und sah John mitfühlend an.
»Ich hab’ meinen eignen Quartermack attagiert«, sagte Ki stolz.
John lächelte sie gezwungen an und erhob sich stolpernd. »Ja«, sagte er. »Das hast du. Und der Schiri gibt fünfzehn Meter wegen Quetschung.«
»Alles in Ordnung, Mann?« fragte George. Er sah besorgt aus, aber seine Stimme klang heiter.
»Prima«, sagte John und warf ihm das Frisbee zu. Es eierte kläglich durch den Garten. »Los, werfen Sie. Mal sehen, was Sie draufhaben.«
Der Donner grollte lauter, aber die schwarzen Wolken waren immer noch westlich von uns; der Himmel über uns behielt seine harmlose feuchtblaue Farbe. Vögel sangen und Grillen zirpten im Gras. Über dem Grill flimmerte die Luft in der Hitze, es war an der Zeit, Johns New Yorker Steaks daraufzulegen. Das Frisbee flog immer noch rot vor dem Grün von Gras und Bäumen und dem Blau des Himmels. Ich war immer noch lüstern, aber alles war in Ordnung - Männer auf der ganzen Welt sind lüstern, fast ununterbrochen, und die Eiskappen schmelzen nicht. Aber dann tanzte sie, und alles wurde anders.
Es war ein alter Song von Don Henley, der von einem wirklich gemeinen Gitarrenriff vorangepeitscht wurde.
»O Gott, ich liebe dieses Stück«, rief Mattie. Das Frisbee flog zu ihr. Sie fing es, ließ es fallen, trat darauf, als wäre es ein roter Spot auf einer Nachtclubbühne und fing an zu tanzen. Sie legte die Hände zuerst hinter den Nacken, dann an die Hüften, dann hinter den Rücken. Sie tanzte und stand dabei mit den Zehen ihrer Turnschuhe auf dem Frisbee. Sie tanzte, ohne sich zu bewegen. Sie tanzte, wie es in dem Song heißt - wie eine Welle im Ozean.
›The government bugged the men’s room
in the local disco lounge,
And all she wants to do is dance, dance …
To keep the boys from selling
all the weapons they can scrounge,
And all she wants to do, all she wants to do is dance.‹
Frauen sind sexy, wenn sie tanzen - unglaublich sexy -, aber das war es nicht, worauf ich reagierte oder wie ich reagierte. Die Lust konnte ich bezwingen, aber dies war mehr als Lust und unbezwingbar. Es war etwas, das mir den Atem raubte und mir das Gefühl gab, daß ich vollkommen ihrer Gnade ausgeliefert war. In diesem Augenblick war sie das Wunderschönste, das ich je gesehen hatte, nicht nur eine hübsche junge Frau in Shorts und Midi-Top, die auf einem Frisbee auf der Stelle tanzte, sondern die enthüllte Venus. Sie war alles, was mir in den vergangenen vier Jahren gefehlt hatte, als es mir so dreckig gegangen war, daß ich überhaupt nicht gewußt hatte, daß mir etwas fehlte. Sie nahm mir die letzte Verteidigung, die ich noch gehabt haben mochte. Der Altersunterschied spielte keine Rolle. Und wenn ich für die Leute aussah, als würde mir die Zunge raushängen, selbst wenn ich den Mund geschlossen hatte, na und. Wenn ich meine Würde verlor, meinen Stolz, meine Selbstachtung, na und. Vier Jahre Alleinsein hatten mich gelehrt, daß es Schlimmeres zu verlieren gibt.
Wie lange stand sie tanzend da? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht lang, nicht mal eine Minute,
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