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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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heute nacht.«
    »Gut.«
    »Ich war …« Ich mußte mich räuspern. Ich sah Kyra an, die fest schlief. »Ich war einsam. Ich glaube, ich wußte es selbst nicht, aber es ist so.«
    »Ich auch. Und ich wußte es für uns beide. Küß mich, bitte.«
    Ich küßte sie. Ich glaube, unsere Zungen berührten sich, aber sicher bin ich nicht. Am deutlichsten erinnere ich mich an ihre Lebhaftigkeit . Sie war immer noch wie ein Kreisel, der sich sanft in meinen Armen drehte.
    »He!« rief John von draußen, und wir fuhren auseinander. »Könntet ihr uns ein bißchen helfen? Es wird gleich regnen!«
    »Danke, daß du dich endlich entschieden hast«, sagte sie mit leiser Stimme zu mir. Sie drehte sich um und lief den schmalen Flur des doppelten Wohnwagens entlang. Als sie das nächste Mal mit mir sprach, glaube ich nicht, daß sie wußte, mit wem sie sprach oder wo sie war. Als sie das nächste Mal mit mir sprach, lag sie im Sterben.
     
    »Wecken Sie das Baby nicht auf«, hörte ich sie zu John sagen, und seine Antwort: »Oh, Entschuldigung, Entschuldigung.«
    Ich blieb noch einen Moment stehen und rang nach Luft, dann ging ich ins Bad und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich erinnere mich, daß ich einen blauen Plastikwal in der Badewanne liegen sah, als ich mich umdrehte und ein Handtuch vom Regal nahm. Ich erinnere mich, wie ich dachte, daß wahrscheinlich Luftbläschen aus seinem Spritzloch kamen, und ich erinnere mich sogar, daß ich den Keim einer Idee hatte - ein Kinderbuch über einen spritzenden Wal. Konnte man ihn Willie nennen? Nee, zu offensichtlich. Wilhelm - das hörte sich gut an, amüsant und grandios zugleich. Wilhelm der Spritzende Wal.
    Ich erinnere mich an den Knall des Donners von oben. Ich erinnere mich, wie glücklich ich war, nachdem ich endlich die
Entscheidung getroffen hatte und mich auf die Nacht freuen konnte. Ich erinnere mich an das Murmeln von Männerstimmen und das Murmeln von Matties Antwort, als sie ihnen sagte, wo sie was verstauen sollten. Dann hörte ich sie alle wieder hinausgehen.
    Ich sah an mir hinab und stellte fest, daß eine gewisse Wölbung abklang. Ich erinnere mich, daß ich dachte, nichts sähe absurder aus als ein sexuell erregter Mann, und wußte, ich hatte diesen Gedanken schon einmal gehabt, möglicherweise in einem Traum. Ich ging aus dem Bad, sah wieder nach Kyra - sie lag auf der Seite und schlief tief und fest - und ging den Flur hinunter. Ich hatte das Wohnzimmer gerade erreicht, als draußen Schüsse ertönten. Ich verwechselte das Geräusch nicht mit Donner. Einen Augenblick spielten meine Gedanken mit der Vorstellung von Fehlzündungen - der heiße Ofen eines Jugendlichen -, und dann wußte ich es. Ein Teil von mir hatte darauf gewartet, daß etwas geschah … aber ich hatte mehr mit Gespenstern als mit Pistolenschüssen gerechnet. Ein fataler Irrtum.
    Es war das rasche Peng! Peng! Peng! einer halbautomatischen Waffe - einer Glock neun Millimeter, wie sich herausstellte. Mattie schrie - ein hoher, schriller Schrei, der mein Blut gefrieren ließ. Ich hörte John gequält aufschreien und George Kennedy bellen: »Runter, runter! Um Himmels willen, runter mit ihr! «
    Etwas traf den Wohnwagen wie ein heftiger Hagelschauer - das Rattern von Treffern, das von Westen nach Osten wanderte. Etwas durchschnitt die Luft vor meinen Augen - ich hörte es. Ein fast melodisches Sproing ertönte, als würde eine Gitarrensaite reißen. Auf dem Küchentisch zerschellte die Salatschüssel, die einer von ihnen gerade hereingetragen hatte.
    Ich rannte zur Tür und hechtete fast die Betonstufen hinunter. Ich sah, daß der Grill umgestürzt war und die glühenden Kohlen bereits erste Stellen des spärlichen Rasens in Brand setzten. Ich sah Rommie Bissonette mit ausgestreckten Beinen dasitzen und fassungslos seinen Knöchel betrachten, der blutgetränkt war. Mattie war neben dem Grill auf Händen und Knien, das Haar hing ihr ins Gesicht - es war, als wollte
sie die glühenden Kohlen einsammeln, bevor sie richtigen Schaden anrichten konnten. John stolperte auf mich zu und streckte eine Hand aus. Der zugehörige Arm war blutverschmiert.
    Und ich sah das Auto, das ich vorhin gesehen hatte - die unauffällige Limousine mit dem Aufkleber. Sie war die Straße hochgefahren, weil die Männer in ihrem Inneren sich erst einmal mit unserer Situation vertraut machen wollten, dann hatte er gewendet und war zurückgekommen. Der Killer lehnte noch aus dem vorderen Beifahrerfenster. Ich konnte die

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